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Bony und die weiße Wilde

Bony und die weiße Wilde

Titel: Bony und die weiße Wilde
Autoren: Arthur W. Upfield
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gelebt hatte. Und als Sie dann plötzlich entdeckten, daß er gar nicht der glorreiche Held war, den Sie sich erträumt und den Sie geliebt hatten - da erschossen Sie ihn. Sie erschossen das Geschöpf, aber nicht die Vision.«
    Sadie riß die Augen weit auf. Sie schien betäubt und verwundert, aber Bony spürte deutlich, daß es nicht an dem lag, was er gesagt hatte, sondern an der Art, wie er es gesagt hatte.
    »Ihr Ritter mit der schimmernden Rüstung hat nie existiert«, fuhr er fort. »Sie haben ihm alle Tugenden angedichtet, die er nie besaß. Fast jede Frau hat den geheimen Wunsch, einen edlen Ritter zu lieben. Auch meine Marie ist nicht anders. Und wenn ich beobachte, wie Emma ihren Matt anblickt, dann weiß ich, daß auch sie sich einer Illusion hingibt. Sie sind also durchaus eine normal empfindende Frau. Sie können sich sogar glücklich schätzen, daß Sie so sind, wie Sie sind. Eines Tages werden Sie einen Mann finden, der imstande ist, die Ritterrüstung auch wirklich zu tragen, die Sie ihm umhängen wollen. Natürlich wird er nicht ganz so vollkommen sein, wie Sie es gern haben möchten, aber kein Mann wird je an das Idealbild heranreichen, das die Frau, die ihn liebt, sich von ihm macht.« Er schüttelte sie erneut. »Hören Sie mir eigentlich zu?«
    »Sie sind wundervoll, Nat!« hauchte sie.
    Bony verschlug es fast die Sprache.
    »Verdammt noch mal - wundervoll! Ich bemühe mich, Ihnen Vernunft einzubleuen, und alles, was Sie antworten, ich sei wundervoll. Gehen Sie jetzt über die Felsterrasse und den Kliffpfad hinauf - hinauf, nicht hinab, verstanden? Werden Sie mir Schwierigkeiten machen? Muß ich Sie mit Handschellen an mich fesseln? Also - antworten Sie!«
    »Ich verspreche Ihnen, mir nicht das Leben zu nehmen, Nat. Das ist es doch, was Sie befürchten, oder?«
    »Das ist es eigentlich weniger, was ich befürchte. Sonst würde ich Ihnen einfach einen Kinnhaken versetzen und Sie auf der Schulter wegtragen. In meiner Gegenwart begeht niemand Selbstmord - oder doch nur höchst selten. Nein, ich will, daß Sie sich endlich aus Ihrer Traumwelt lösen und sich so benehmen, wie es Ihrem Alter zukommt. Der Weg wird nicht leicht für Sie sein, es wird noch ein paar dunkle und gefährliche Stellen geben, aber Ihr alter Freund Nat wird Sie nicht im Stich lassen. So, und nun wollen wir hier verschwinden.«
    Er schob Sadie vorwärts, aus dem Schutz des überhängenden Felsens hinaus auf die schmale Terrasse. Sie wurden sofort vom Sturm gepackt, mit Gischtfetzen überschüttet. Sie gingen so weit nach vorn, wie es die Brecher zuließen. Bis zu dem Felsvorsprung, von dem aus der Pfad nach oben führte, waren es noch dreißig Meter.
    Sadie blickte sich nach Bony um. Gischt hüllte ihn ein, und er wischte sich die Augen aus. Die Schaumkrone einer Woge umspielte ihre Füße. Als die Wassermassen abfielen, begannen sie vorwärtszuhasten.
    Der schmale Felssims verlief parallel zum Strand, sank aber kurz vor dem Ziel ein wenig ab. Das Mädchen trug Strandschuhe mit Gummisohlen und kam gut voran, während Bony es mit seinen Ledersohlen schwerer hatte. Das Mädchen erreichte den Felsvorsprung und kletterte eilig auf die ungefähr drei Meter höher liegend Kuppe.
    Als sie sich umblickte, sah sie, wie Bony sich auf Händen und Knien hinaufkämpfte.
    Der nächste Brecher näherte sich. Sie schrie ihm zu, sich zu beeilen. Er sah, wie der steinige Strand von den Wassermassen begraben wurde. Er warf sich vorwärts, kam ins Rutschen, fing sich sofort und erreichte den Felsvorsprung, als das Wasser seine Füße zu umspülen begann.
    Da beugte sich Sadie auch schon tief zu ihm herab und erhaschte mit einer Hand sein Gelenk. Der schäumende Gischt riß ihm die Füße weg und begrub ihn bis zu den Schultern. Er wurde von der Gewalt des Wassers emporgehoben, und es schien ihm wie eine Ewigkeit, bis Sadie auch sein anderes Handgelenk zu fassen bekam. Die abflutenden Wassermassen drohten ihn mitzureißen, doch dann fanden seine Füße Halt, und er konnte hinauf zu dem Mädchen.
    »Wo wäre ich jetzt, wenn Sie sich entschlossen hätten, zu sterben?« meinte er, als sie das Plateau erreicht hatten. »Kommen Sie, damit wir die Sache möglichst schnell hinter uns bringen.«

    Unter dem Teestrauch herrschte fast völlige Stille. Seite an Seite gingen sie hinunter zur Lagune.
    »Gleich am ersten Tag meines Hierseins war ich mit Matt an dieser Stelle, und damals versuchte jemand, uns zu belauschen. Haben Sie eine Ahnung, wer das gewesen
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