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Bony und die weiße Wilde

Bony und die weiße Wilde

Titel: Bony und die weiße Wilde
Autoren: Arthur W. Upfield
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Niemand kam dort hin - höchstens zum Mustern des Viehs. Luke versuchte, Marvin loszuwerden. Er redete ihm ins Gewissen und beschwor ihn, den Eltern nicht noch mehr Kummer zu bereiten. Ich brachte Marvin Verpflegung. Er sagte mir lediglich, er habe wieder eine Dummheit gemacht, und seine Bewährungsfrist sei darum hinfällig. Ich teilte Lukes Ansicht nicht. Ich wollte nicht, daß man ihn davonjagte. Verstehen Sie - ich liebte ihn immer noch. Ich liebte ihn so sehr, daß es mir völlig gleichgültig war, was er anderen angetan hatte. Er sah nach diesen dreizehn Jahren zwar älter aus, aber doch noch so, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Damals, am Tag vor seiner Abreise, fand in Timbertown ein Kricketmatch statt. Danach sagte er mir, als wir zusammen im Garten waren, daß er mich liebe und daß wir sofort nach seiner Ordination heiraten würden. Und als er nun nach all diesen schrecklichen Jahren plötzlich wieder da war, vergaß ich alles, was er getan hatte. Ich liebte ihn noch immer.«
    Bony hörte schweigend zu, ohne sie zu unterbrechen.
    »Ich brachte ihm Verpflegung und Bücher. Ein paarmal kochte ich ihm auch in der Hütte eine Mahlzeit. Luke sagte ihm schließlich ganz energisch, er solle sich zum Teufel scheren, aber ich flüsterte ihm hinter Lukes Rücken zu, er solle bleiben, ich würde schon ein sicheres Versteck für ihn finden. Er blieb also. Und dann kam eines Tages der Sergeant zur Farm und erzählte, daß man Marvin in Südaustralien wegen Mordes suche. Noch am selben Abend ging ich mit Luke zur Blockhütte. Wir berichteten Marvin vom Auftauchen der Polizei, und Luke erklärte, daß er dem Sergeanten reinen Wein einschenken würde, falls Marvin nicht schleunigst verschwände. Marvin bekam einen Wutanfall, aber Luke schlug ihn nieder und nahm mich mit nach Hause. Ich beschwor Luke, Marvin noch eine Chance zu geben, bevor er den Sergeanten informiere. Da gab Luke mir Geld, seine Mutter ebenfalls, und ich legte alles dazu, was ich besaß. Damit ging ich zu Marvin und erklärte ihm, dies sei seine letzte Chance. Er lag auf dem Boden der Hütte, weiß wie die Wand. Er zitterte am ganzen Körper. Ich konnte sogar hören, wie ihm die Zähne klapperten. Er hatte Angst, ganz gemeine Angst, daß man ihn wegen Mordes hängen würde.«
    Sie schwieg kurz und seufzte tief.
    »Ich brachte es nicht fertig, ihn wegzuschicken, Nat. Wie hätte ich das können? Ich führte ihn hier in diese Höhle und versorgte ihn regelmäßig mit Nahrung und Wasser. Er fühlte sich hier sicher. Diese Höhle kannten nur wir Rhudders und Ted Jukes - und Ted war tot. Nach einer Weile hatte Marvin sich von seinem Schrecken erholt, und er erinnerte sich an den Koffer, der in der Blockhütte zurückgeblieben war. Ich versprach, ihn zu holen. Dies konnte allerdings nur während der Dunkelheit geschehen, da ich ja niemandem damit begegnen durfte. Zunächst schaffte ich ihn also aus der Hütte fort und versteckte ihn in dem hohlen Baum, um eine günstige Gelegenheit abzuwarten. Ich war sehr vorsichtig, wischte ihn innen und außen mit einem feuchten Tuch aus und legte, während ich ihn trug, noch ein Tuch um den Griff.«
    Bony erhob sich und trat vor die Höhle, um seine Gedanken zu ordnen. Er war entsetzt über das, was ihm der neue Tag offenbarte.
    »Wozu diente diese Sturmlaterne?« fragte er, als er zurückkehrte.
    »Die brachte ich Marvin, und als er sich über das trübe Licht beklagte, schaffte ich später auch noch die Azetylenlampe her. Die Sturmlaterne ließ ich hier für den Fall, daß einmal die Taschenlampe versagte.«
    »Das klingt einleuchtend. Nun, da wir wahrscheinlich noch einige Stunden hier ausharren müssen, haben wir Zeit, mit dieser Geschichte zu Ende zu kommen. Sie sagten also, daß Marvin den Koffer haben wollte. Sie versprachen, ihn in der Dunkelheit zu holen. Bis jetzt ist alles klar. Was nun folgte, ist ebenfalls klar. Marvin hatte in diesem Koffer einen großen Geldbetrag, den er unbedingt für seine Flucht brauchte. Sie weigerten sich jedoch, den Koffer sofort zu holen. Sie wollten die Dunkelheit abwarten, und deshalb geriet Marvin in Jähzorn. Ist das richtig?«
    »Ja. Er bekam eine unbeschreibliche Wut. Und dann -«
    »Es ist völlig klar, was dann kam. Seine Pistole lag auf der Truhe. Ist das richtig?«
    Sadie nickte leicht verwirrt.
    »In seiner Wut griff Marvin nach Ihnen. Sie sahen Mordlust in seinen Augen. Sie wollten fliehen, aber er verstellte Ihnen den Ausgang. Sie sagten ihm nun ganz offen, was Sie von
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