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Bonjour Tristesse

Bonjour Tristesse

Titel: Bonjour Tristesse
Autoren: Françoise Sagan
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ein Butterbrot.«
    Ich flehte sie an, mir kein Butterbrot
aufzuzwingen, und sie begann mir gerade die Notwendigkeit dieser Maßnahme zu
erläutern, als mein Vater in seinem prächtigen, erbsengrünen Morgenrock
erschien.
    »Welch reizender Anblick«, sagte er,
»zwei braune kleine Mädchen in der Sonne, die über Butterbrote reden.«
    »Nur ein kleines Mädchen — leider!«
sagte Anne lachend. »Ich bin so alt wie Sie, mein armer Raymond.«
    Mein Vater beugte sich herab und nahm
ihre Hand.
    »Immer noch genauso unverschämt«, sagte
er zärtlich, und ich sah Annes Lider wie unter einer unerwarteten Liebkosung
flattern.
    Diesen Augenblick machte ich mir
zunutze und schlich davon. Auf der Treppe begegnete ich Elsa. Man sah ihr
deutlich an, daß sie aus dem Bett kam; ihre Lider waren geschwollen, und die
Lippen wirkten blaß in dem krebsrot verbrannten Gesicht. Fast hätte ich sie
angehalten, um ihr zu sagen, daß Anne mit einem sauberen Gesicht unten sitze
und daß sie maßvoll und ohne Schaden zu nehmen braun werden würde. Fast hätte
ich sie gewarnt. Aber sie hätte es zweifellos falsch aufgefaßt. Sie war
neunundzwanzig Jahre alt, ungefähr dreizehn Jahre jünger als Anne, und das war
in ihren Augen ein Trumpf-As.
    Ich nahm meinen Badeanzug und lief zur
Bucht hinunter. Zu meiner Überraschung war Cyril schon da; er saß in seinem
Boot. Er ging mir mit ernster Miene entgegen und ergriff meine Hände.
    »Ich wollte Sie wegen gestern um
Verzeihung bitten«, sagte er.
    »Es war mein Fehler«, sagte ich.
    Ich empfand nicht die leiseste Spur von
Verlegenheit, und seine feierliche Miene erstaunte mich.
    »Ich ärgere mich sehr über mich«, fing
er wieder an, während er das Boot ins Meer stieß.
    »Dazu besteht nicht die geringste
Veranlassung«, sagte ich vergnügt.
    »Doch!«
    Ich war schon im Boot. Er stand bis zu
den Knien im Wasser und stützte sich auf den Bootsrand wie auf die Schranken
eines Tribunals. Ich wußte, daß er nicht einsteigen würde, bevor er nicht
gesprochen hatte, und blickte ihn mit aller erforderlichen Aufmerksamkeit an.
Ich kannte sein Gesicht gut und fand mich darin zurecht. Dann kam mir der
Gedanke, daß er fünfundzwanzig Jahre alt war und daß er sich vielleicht für
einen Verführer hielt, und darüber mußte ich lachen.
    »Lachen Sie nicht«, sagte er. »Ich war
sehr böse auf mich gestern abend, wissen Sie. Sie sind so schutzlos. Ihr Vater,
diese Frau, das Beispiel... Ich wäre der schäbigste aller Halunken, es wäre
genau dasselbe; Sie könnten genauso glauben...«
    Er wirkte nicht einmal lächerlich. Ich
spürte, daß er gut war und daß er nahe dran war, mich zu lieben. Ich legte ihm
die Arme um den Hals und meine Wange an seine. Er hatte breite Schultern und
einen festen Körper.
    »Sie sind lieb, Cyril«, murmelte ich.
»Sie werden mir ein Bruder sein.«
    Er nahm mich mit einem kleinen Ausruf
des Zorns in die Arme und zog mich sacht aus dem Boot. Und so hielt er mich
hochgehoben, eng an sich gepreßt, meinen Kopf auf seiner Schulter. In diesem
Augenblick liebte ich ihn. Im Licht des Morgens war er so braun, so hübsch, so
sanft wie ich; er beschützte mich. Als sein Mund meine Lippen suchte, begann
ich vor Lust zu zittern wie er, und unser Kuß war ohne Reue, ohne Scham, nur
ein tiefes, von leisem Murmeln unterbrochenes Forschen. Ich machte mich los und
schwamm dem Boot nach, das inzwischen abgetrieben war. Ich tauchte mein Gesicht
ins Wasser, um es wieder frisch und neu zu machen... Das Wasser war grün. Ein
Gefühl von Glück und vollkommener Sorglosigkeit überkam mich.
    Um halb zwölf verließ mich Cyril, und
auf dem Ziegenpfad tauchte mein Vater mit seinen Frauen auf. Er ging zwischen
ihnen und stützte sie, reichte ihnen abwechselnd die Hand und tat dies mit
jener natürlichen Liebenswürdigkeit, die nur er allein besaß. Anne hatte ihren
Bademantel anbehalten; sie zog ihn vor unseren prüfenden Blicken ruhig aus und
legte sich in den Sand. An ihrem schlanken Körper und den tadellosen Beinen war
nichts auszusetzen als eine ganz leicht verwelkte Haut. Hier sah man ohne
Zweifel das Ergebnis jahrelanger Sorgfalt und Pflege. Unwillkürlich warf ich
meinem Vater mit hochgezogenen Augenbrauen einen beifälligen Blick zu. Zu
meiner großen Überraschung gab er mir diesen nicht zurück und schloß die Augen.
Die arme Elsa war in einem jämmerlichen Zustand und beschmierte sich von oben
bis unten mit Öl. Ich gab meinem Vater eine knappe Woche, dann würde er...
    Anne wandte mir den
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