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Bonjour Tristesse

Bonjour Tristesse

Titel: Bonjour Tristesse
Autoren: Françoise Sagan
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groß, manchmal
schön, von einer Schönheit, die Vertrauen einflößte. Mein Vater hatte einen so
starken Widerwillen gegen Häßlichkeit, daß wir off mit ausgesprochen dummen
Menschen verkehrten. So weit ging es bei mir nicht, aber ich empfand vor Menschen,
die ohne jeden physischen Charme waren, eine Art von Beklemmung. Es schien
ihnen etwas Wesentliches zu mangeln. Ihr Verzicht, zu gefallen, berührte mich
peinlich wie ein Gebrechen. Denn was wollten wir, wenn nicht gefallen? Ich weiß
heute noch nicht, ob sich hinter dieser Freude an der Eroberung ein Überschuß
an Lebenskraft verbirgt, ob es die Lust ist, zu beherrschen, oder das
heimliche, uneingestandene Verlangen nach Selbstbestätigung, nach Anerkennung.
    Cyril verließ mich mit dem Vorschlag,
mir das Segeln beizubringen. Ich ging zum Abendessen nach Hause und war in
Gedanken so mit ihm beschäftigt, daß ich mich an der Unterhaltung fast gar
nicht beteiligte; ich bemerkte kaum, wie nervös mein Vater war. Nach dem Essen
setzten wir uns, wie immer am Abend, auf die Terrasse. Der Himmel war mit
Sternen übersät. Ich blickte sie an und hoffte im stillen, daß schon jetzt —
vor der Zeit — Sternschnuppen fallen würden. Aber es war erst Anfang Juli, und
sie rührten sich nicht. Auf dem Kies der Terrasse sangen die Grillen. Es mußten
Tausende sein, die, berauscht von der Hitze und vom Mond, ihren seltsamen Ruf
ganze Nächte lang erklingen ließen. Man hatte mir einmal erklärt, daß sie nur
ihre Flügeldecken aneinander rieben, aber ich wollte lieber an einen Gesang der
Kehle glauben, triebhaft wie der Schrei der Katzen, wenn sie auf
Liebesabenteuer ausgehen. Wir fühlten uns wohl; nur die kleinen Sandkörner
zwischen meiner Haut und meiner Hemdbluse bewahrten mich vor den sanften
Angriffen des Schlafes. Und dann räusperte sich mein Vater und richtete sich in
seinem Liegestuhl auf.
    »Ich habe euch einen neuen Gast zu
melden«, sagte er.
    Ich schloß verzweifelt die Augen. Wir
hatten unsere Ruhe zu sehr genossen, sie konnte nicht andauern.
    »Sagen Sie schnell, wer es ist«, rief
Elsa, die immer begierig nach Neuigkeiten aus der großen Welt war.
    »Anne Larsen«, sagte mein Vater und
wandte sich mir zu.
    Ich blickte ihn an, zu erstaunt, um
darauf zu reagieren.
    »Ich hatte ihr angeboten zu kommen,
falls die Arbeit an den neuen Kollektionen sie zu sehr anstrengen würde, und
sie... sie kommt.«
    Daran hätte ich nie gedacht. Anne
Larsen war eine alte Freundin meiner armen Mutter und hatte nur sehr wenig
Kontakt mit meinem Vater. Aber als ich vor zwei Jahren aus dem Pensionat
gekommen war und mein Vater nicht wußte, was er mit mir anfangen sollte,
schickte er mich zu ihr. Innerhalb einer Woche hatte sie mich mit Geschmack
angezogen und mir Manieren beigebracht. Damals begann ich leidenschaftlich für
sie zu schwärmen, was sie geschickt auf einen jungen Mann ihrer Umgebung
abzulenken wußte; Und so schuldete ich ihr meine erste elegante Garderobe und
meine erste Liebe und war ihr dankbar dafür. Sie war zweiundvierzig, sehr
verführerisch, sehr umworben, mit einem schönen, hochmütigen Gesicht voll müder
Gleichgültigkeit. Diese Gleichgültigkeit war die einzige Eigenschaft, die man
ihr vorwerfen konnte. Sie war liebenswürdig und unnahbar. Alles an ihr drückte
einen festen Willen und eine Herzensruhe aus, die einschüchternd wirkten.
Obgleich sie geschieden und frei war, wußte niemand etwas von einem Liebhaber.
Wir hatten im übrigen einen anderen Bekanntenkreis: Sie verkehrte mit klugen,
wohlerzogenen Menschen und wir mit lärmenden, lebenshungrigen Leuten, von denen
mein Vater nur verlangte, daß sie schön und unterhaltsam seien. Ich glaube, daß
sie meinen Vater und mich ein wenig verachtete, weil wir uns den seichten
Vergnügungen verschrieben hatten. Sie verachtete jede Übertreibung. Hie und da
aßen wir aus beruflichen Gründen zusammen — sie beschäftigte sich mit Mode und
mein Vater mit Reklame —; sonst verband uns nichts als die Erinnerung an meine
Mutter und meine Bemühungen um sie, denn wenn sie mich auch einschüchterte, so
bewunderte ich sie doch sehr. Kurz und gut, der Zeitpunkt für ihre plötzliche
Ankunft erschien vielleicht nicht ganz passend, wenn man an Elsas Gegenwart und
Annes Ansichten über Erziehung dachte.
    Nach einer Menge von Fragen nach Annes
gesellschaftlicher Stellung ging Elsa hinauf, um sich schlafen zu legen. Ich
blieb mit meinem Vater allein und setzte mich auf die Stufen zu seinen Füßen.
Er beugte sich
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