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Bombenspiel

Bombenspiel

Titel: Bombenspiel
Autoren: Gmeiner-Verlag
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als die politischen Häftlinge ihre Freiheit erlangten, seine Rolle mit der eines Gefangenen. Er half etwas nach, damit ein lebenslänglich Verurteilter namens Gys de Kock in jenen Tagen das Zeitliche segnete und sorgte dafür, dass sich niemand um die Leiche kümmerte. Van Wyk schaffte den Toten bei Nacht aus dem Gefängnis, verbrannte ihn zwischen den Müllbergen am Rand der Stadt und nahm die Identität de Kocks ein.
    Niemand nahm Notiz davon, dass der Gefängnisaufseher Andries van Wyk von einem Tag auf den nächsten verschwunden war, zu viele hatten sich aus dem Staub gemacht, als sie die Zukunft der Apartheid untergehen sahen. Erst recht niemand vermutete in dem gebeugten, stinkenden, unrasierten Gefangenen Gys de Kock den sadistischen Aufseher von Kroonstad. Andries van Wyk verschwand von der Bildfläche, sobald er das Gefängnistor hinter sich gelassen hatte, und begann unter dem Namen Gys de Kock ein neues Leben.
    Als ehemaliger politischer Gefangener mit weißer Hautfarbe hatte er es bald geschafft, das Vertrauen der neuen schwarzen Elite zu erlangen und sich in die Kreise der Politiker um Nelson Mandela zu schmuggeln. Seine Fähigkeiten als Manager brachten ihm immer mehr Posten und wichtige gesellschaftliche Stellungen ein, unter anderem die des stellvertretenden Lead Construction Inspectors beim Stadionbau in Durban.
    Nie hatte jemand an der Identität Gys de Kocks gezweifelt. Niemand außer uThembani Mthetwa. Und er hatte noch mehr herausgefunden, nachdem er die richtige Fährte aufgenommen hatte: Gys de Kock war, bevor er nach Durban gekommen war, einer der engsten Vertrauten von General Boer in Orania. Der war einer der ehemaligen Befehlshaber in der südafrikanischen Armee und hatte vor über zehn Jahren die ›Weiße Volksfront‹ für einen nationalen ›Afrikaanderstaat‹ ins Leben gerufen.
    Eines stand für Mthetwa daher außer Zweifel: dieser Gys de Kock, den sie alle Kalkoen – Truthahn – nannten, und der vorgab, aus Rache gegen die Weißen zu kämpfen, stand nie und nimmer auf der Seite der Schwarzen. Wenn er als Drahtzieher eines Anschlags in Erscheinung trat, zündete dieser Mann die Bomben niemals gegen seine eigene Rasse, sondern gegen die Rasse Mthetwas.
    Der Zulu ließ die Leiche Abduls im Dreck liegen und machte sich auf den Weg nach Durban.
     
     

Tugelaschlucht
    »Linda?«
    Sie erkannte Alans Stimme trotz des Wassers, dessen Tosen zwar zurückgegangen war, aber zwischen den Wänden der Schlucht immer noch heftig und laut rauschte. Auch der Pegel war gefallen und sie hatte sich schon vor Minuten entschlossen, in das Bett zu springen und sich vor die Höhle treiben zu lassen. Doch Karin hatte sich mit Händen und Füßen gewehrt.
    »Der knallt uns da draußen ab!«, hatte sie geschrien, »der wartet nur darauf, dass wir auftauchen.«
    Linda hatte sich gerade entschieden, den Ausbruch allein zu versuchen, als sie jemanden ihren Namen rufen hörte.
    »Alaan!«, schrie sie zurück, so laut sie konnte, aber das Rauschen des Tugela schien ihre Stimme zu verschlucken.
    »Und wenn es gar nicht Alan ist?«, zweifelte Karin. »Oder wenn es eine Falle ist? Vielleicht hat der Kerl Alan in seine Gewalt gebracht und zwingt ihn, dich zu rufen?«
    Doch Linda schüttelte den Kopf. Sie hatte Alans Stimme erkannt und war sich sicher, dass er da draußen auf sie wartete, und nicht rufen würde, wenn man ihn dazu zwänge.
    »Pass auf!«, flüsterte sie Karin zu, »ich lass mich da hinaustreiben und wenn du deinen Namen rufen hörst, und zwar Vor- und Zunamen, ist alles okay und du kannst nachkommen. Verstanden?«
    Karin nickte und half Linda, von dem Felsvorsprung in das kalte Wasser zu klettern. Linda wartete, bis ein meterlanges Holzstück vorüber trieb, hängte sich an und ließ sich von der Strömung des zwar noch schnell fließenden, aber nicht mehr ungestümen oder gar gefährlichen Flusses ergreifen.
    Nach einigen Minuten, in denen das eisige Wasser ihre Kleidung durchdrang und sie bis auf die Haut durchnässte, sah sie den Ausgang der Schlucht und tauchte, so gut es ging, unter. Die Gestalt, deren Schattenriss sie dort entdeckte, war nicht die des Mannes, der auf Paul Dhlomo geschossen hatte. Sie tauchte wieder auf und schrie, so laut sie es im kalten Wasser treibend konnte: »Alaaan!«
    Alan Scott, der die Umgebung nach Linda und Karin abgesucht und dabei die Leiche Paul Dhlomos gefunden hatte, sah den Körper einer Frau im Wasser treiben und sprang in den Fluss, der hier, unbeengt von den
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