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Böses Blut

Böses Blut

Titel: Böses Blut
Autoren: Arne Dahl
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bestimmten Vororten war es noch schlimmer. Ganze Wohnbezirke standen unter Wasser. Der Sturm hatte in Teilen Schwedens die Stromversorgung und das Telefonnetz lahmgelegt. Etwas, was einem Katastrophenzustand ähnelte, begann Form anzunehmen.
    Das Polizeipräsidium war jedoch noch intakt. Obgleich die »Kampfleitzentrale« ihre Anführungszeichen zurückbekommen hatte. Die Dinger flatterten wie höhnische Vampire durch den Raum.
    »Ich hätte auf den Kopf schießen sollen«, sagte Gunnar Nyberg. »Einen einzigen Schuß hätte ich ihm wohl in den Schädel verpassen können. Scheiße, wie blöd.«
    »Du konntest nicht wissen, daß die Wachen kugelsichere Westen trugen«, sagte Hultin. »Und schon gar nicht, daß er eine davon angezogen hatte.«
    »Ich hätte sie daran hindern sollen, zu ihm hineinzugehen.«
    »Es gibt manches, was wir hätten tun sollen«, sagte Hultin düster. »Und vor allem manches, was wir nicht hätten tun sollen.«
    Er betrachtete Nyberg von seinem Katheder aus. Er sah wirklich jämmerlich aus. Außer dem Nasenschutz und dem Gips am Handgelenk trug er nun auch noch eine große Halskrause. Gunnar Nyberg sollte natürlich nicht hier sein; er hätte seine Krankschreibung ausnutzen und seine doppelte Gehirnerschütterung durch Schlaf auskurieren sollen. Doch nichts schien ihn von hier fortbringen zu können.
    Hultins Eulenbrille saß an ihrem Platz, doch abgesehen davon war er nicht mehr der alte. Seine neutrale Unberührtheit war wie weggeblasen. Er wirkte kleiner als sonst; die Landesvaterzeit war vorüber. Vielleicht würde es ihm gelingen, sich vor seiner Pensionierung noch einmal aufzurütteln.
    Als er sprach, war seine Stimme langsam, schleppend, fast ein wenig greisenhaft: »Sowohl Gunnar als auch die Wachen haben keine bleibenden Schäden davongetragen. Gunnars Polizeiausweis, den Jennings benutzte, um das Präsidium zu verlassen, wurde ein paar Stunden später in einem Papierkorb auf Arlanda gefunden. Das war ein kleines Zeichen an ans. Ein Dank für die Hilfe, nehme ich an.«
    Er machte eine Pause und blätterte in seinen Papieren. Es ging mühsam. Schließlich fuhr er fort: »Es waren mindestens drei identische Präzisionsautomatikwaffen mit besonders effektiver Munition, deren Wirkung wir gesehen haben. Man kann annehmen, daß sie uns ganz einfach im Hubschrauber nach Visby folgten, sich an uns hängten bis zum Hafen und sich anschließend an einer geeigneten Stelle oben in der Stadt installierten. Vielleicht war es eine produktive Zusammenarbeit zwischen dem CIA und Saddam, das werden wir nie erfahren. Und wir werden ebenfalls nie erfahren, was die drei desertierten Offiziere über den Golfkrieg zu enthüllen hatten. Vor allem müssen wir es vergessen. Die Leichen sind versorgt. Wie ihr wißt, mußten wir die Sicherheitspolizei hinzuziehen; sie haben den Fall von jetzt ab in der Hand. Die Medien haben nichts mitbekommen, und jetzt sitzen wir da: Selbst wenn wir wollten, was sollten wir der Presse sagen? Der Fall wird als ungelöst ad acta gelegt werden, die Leute werden weiter Waffen kaufen und Wachdienste anheuern. Und vielleicht tun sie recht daran. Und ihr wißt ja, was Fawzi Ulaywi gesagt hat, als wir ihn freiließen, ich werde es nie vergessen: »Satans Mörder!« Er hatte ja recht. Und jetzt ist seine Identität vermutlich enthüllt. Vielleicht gelingt es ihm noch, unterzutauchen und einer Hinrichtung zu entgehen, vielleicht nicht. Er, Herman Bengtsson und das Ehepaar Lindberger waren die schwedische Orpheus Life Line. Jetzt ist von der Filiale nichts mehr übrig.«
    Er verstummte. Er sah alt und fertig aus. Sie hatten den Fall gelöst, restlos aufgeklärt, aber jetzt würde er, Hultin, fallengelassen werden – wie ein erfolgloser Palmemordermittler. Vielleicht würden die Forderungen nach seinem Rücktritt zu stark werden. Und sie waren berechtigt – wenn auch aus ganz anderen Gründen. »Ist noch etwas?« fragte er.
    »Justine Lindbergers Konten wurden wenige Stunden nach ihrem Tod geleert«, sagte Arto Söderstedt. »Wir können nur hoffen, daß es die Orpheus Life Line war, die die Reste ihres Kapitals gerettet hat. Oder es ging als Gehaltserhöhung an Wayne Jennings. Lindbergers große Wohnung fällt jetzt an die ohnehin schon reiche Familie, Orpheus verliert sein schwedisches Hauptquartier und seine Zentrale. Außerdem vier seiner loyalsten Mitarbeiter. Und manches andere.«
    Söderstedt sah zur Decke auf. Auch er sah ganz und gar fertig aus. »Ich habe sie behandelt wie ein
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