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Böses Blut

Böses Blut

Titel: Böses Blut
Autoren: Arne Dahl
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unterwegs.«
    Sie drückte auf den Ausknopf. Dann ballte sie eine Sekunde lang die Faust. Und sie liefen zu Hultin hinein.
    Der Hubschrauber hob fünf Minuten später vom Hubschrauberlandedeck des Polizeipräsidiums ab. Angenehmes Tempo, fand Hultin, der neben Norlander saß und in seinen Papieren las.
    »Der Frachter Lagavulin verläßt um 20 Uhr 30 den Hafen von Visby. Jetzt ist es Viertel nach fünf. Wir sollten früh genug ankommen.«
    »Ist Lagavulin nicht ein Malt Whisky?« sagte Hjelm.
    »Der beste«, sagte Chavez. »Extrem rauchig und torfig.«
    Die letzten Schären waren unter ihnen zu sehen, ertrunken im strömenden Regen; Hjelm meinte Utö erkennen zu können. Dann waren sie über dem offenen Meer, einem windgepeitschten Meer, fast mehr weiß als schwarz. Der Hubschrauber krängte und schaukelte in dem unermüdlichen Herbststurm. Hjelm warf einen Blick auf den Piloten; sein Gesichtsausdruck gefiel ihm nicht. Auch Norlanders Gesichtsausdruck   war   nicht   besonders   vertrauenerweckend.
    Hjelm riß einen Helm von der Wand des Hubschaubers und kotzte hinein.
    Auch andere kamen nicht ungeschoren davon. Der Pilot verteilte Plastiktüten, um den restlichen Helmbestand zu schonen. Arto Söderstedts weiße Haut wurde nahezu minzgrün, und Hjelm fand, daß sein eigenes zuletzt Erbrochenes die gleiche Farbe hatte. Nur Hultin und Holm gelang es, ihren Mageninhalt bei sich zu behalten. Eine überaus mediokre Sammlung von Polizisten strömte zu der abgeschirmten Hubschrauberplattform östlich von Visby, wo zwei höchst zivile Mietwagen auf sie warteten. Sie blieben eine Weile stehen und ließen sich vom Regen berieseln. Es war seltsam reinigend. Ihre Gesichtsfarbe normalisierte sich. Sie kehrten ins Leben zurück. Jetzt war nur noch die Frage, was Justine Lindberger im Hafen für sie bereithielt.
    Sie fuhren um Visby hierum und glitten an der Stadt vorbei die Straße zum Fähranleger hinunter. Sie passierten die großen Gotlandfähren und näherten sich der Lagavulin. Das Schiff lag an der äußeren Pier beim nördlichen Wellenbrecher und wurde immer wieder gegen die Autoreifen an der Kaimauer gepreßt.
    Die Lagavulin war kein richtiger Frachter. Sie war zu klein, eher ein großer Fischkutter. Sie lag ganz allein dort draußen. An Bord war kein Lebenszeichen zu bemerken. Ein Schwarm großer Raubmöven umkreiste das Schiff wie Geier einen Kadaver in der Wüste. Ein Öltanker zog draußen auf der Ostsee vorbei, die Lichter flackerten schwach durch die Sturmwolken; langsam schwankend zog er vorüber wie ein großes, unerreichbares Seeungeheuer. Der Himmel wirkte ungewöhnlich tief, als wollten die dicken Regenwolken die Erdoberfläche ablecken, als befänden sie sich im Kern der Sintflut. Würde auf der anderen Seite die sonnenbeschienene, reine Klarheit zu finden sein? Oder war sie eine Utopie? Gab es überhaupt noch Platz für Klarheit?
    Sie sammelten sich um die Autos, die etwas verdeckt und abseits bei der Hochschule geparkt worden waren. Fast unsichtbar in der Dunkelheit, näherten sie sich der Pier und liefen geduckt darauf entlang. Der vage Ozonduft des Regensturms wurde vom Geruch des Meeres verdrängt.
    Sie waren jetzt ganz nahe. Es gab keine Spur einer Wache. Sie sammelten sich um die Laufplanke, triefend vor Nässe.
    Chavez und Norlander gingen zuerst an Bord, schweigend, mit erhobenen Waffen. Danach Hjelm und Holm. Zuletzt Söderstedt und Hultin. Alle Waffen waren entsichert.
    Sie gingen am unbeleuchteten Steuerhaus vorbei nach achtern. Das Schiff wirkte verlassen. Da wurden im Unwetter ein paar schwache Stimmen herangetragen. Sie folgten vorsichtig der Stimmenspur, bis sie vor einer Tür neben einer Reihe von Fenstern mit zugezogenen Gardinen standen. Hinter den Gardinen war ein schwaches, flackerndes Licht zu erkennen.
    Norlander versuchte, die Festigkeit der Tür einzuschätzen. Sie sammelten sich um ihn. Er ging in Stellung, mit dem Rücken zur Reling. Hjelm drückte vorsichtig die Klinke herunter. Die Tür war verschlossen. Im nächsten Moment trat Norlander sie ein. Ein einziger kräftiger Tritt genügte. Das Schloß blieb noch eine Sekunde hängen und schaukelte im Rahmen, dann fiel es aufs Deck.
    In einem speisesaalähnlichen Raum saßen fünf Personen um eine heruntergedrehte Petroleumlampe. Ein junger blonder Mann in Helly–Hansen–Kleidung, drei kräftige dunkelhäutige Männer an der oberen Grenze der mittleren Jahre in dicken Daunenjacken – und Justine Lindberger in Regenkleidung.
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