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Böser Engel

Böser Engel

Titel: Böser Engel
Autoren: Timothy Carter
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Brightly.
    Oje, dachte ich.
    »Seht mal«, kam eine Stimme aus der Menge, »der verlorene Sünder kehrt zurück!«
    Verlorener Sünder? Das ergab doch gar keinen Sinn. Aber die Zuschauer interessierten sich wohl herzlich wenig für Logik, denn ein ohrenbetäubender Applaus brandete auf. Ein paar besonders eifrige Zuschauer warfen mit Gegenständen nach uns. Das hörte jedoch schlagartig auf, als Officer Harpur von einer fauligen Tomate getroffen wurde.
    »Hört auf damit!«, rief er. »Die beiden werden schon bekommen, was sie verdienen. Habt etwas Geduld.«
    »Stu?«, raunte Chester. »Bist du dir wirklich sicher, dass wir das durchziehen sollen? Ich habe Angst.«
    »Und ich erst«, sagte ich und meinte es ernst. Warum sollte ich so tun, als wäre ich obercool? »Sorg einfach dafür, dass du an nichts denkst.«
    »Ich weiß nicht, ob ich das kann«, flüsterte er.
    Ich musste mir auf die Zunge beißen, um nicht lauthals loszulachen. »Ich weiß, dass du es kannst, Chester«, erklärte ich. »Mag sein, dass ich im Moment nicht so recht an Gott glaube, aber an dich glaube ich ganz fest.«
    Das brachte mir ein breites Lächeln ein. Wenn das hier vorbei ist, dachte ich, sollten Chester und ich vielleicht doch einen zweiten Versuch miteinander starten.
    Vorausgesetzt, wir überlebten. Mein Blick glitt zu den Dämonen, die über der Menge und um sie herum schwebten. Dieses Mal waren sie noch deutlicher zu erkennen. Offenbar waren sie unserer Welt wieder ein Stück näher gekommen.
    Ich dachte wieder an meinen Plan. Wenn etwas schiefging, würden wir alle sterben. Grausam sterben.
    Ganz ruhig, sagte ich mir im Stillen und leerte meinen Kopf. Nur wenige Schritte trennten uns noch von der Jugendgruppe. Und von Brightly.
    »Stuart! Chester!«, rief Jane. Sie saß neben Ryan, Lucie, Paul und Jacob – den anderen Mitgliedern unserer sündhaften Gang. Der Rest der Gruppe – darunter auch Mrs. Farmson – hatte etwas abseits von ihnen Platz genommen. Doch es gab eine Person, die sich zu den schwarzen Schafen gesellt hatte.
    »Father Reedy!«, rief ich. Eine hässliche Platzwunde zierte seine Schläfe, aber er war tatsächlich am Leben. Obwohl ich nicht an Brightlys Worten gezweifelt hatte, fühlte ich mich bei seinem Anblick doch sehr erleichtert.
    »Es wurde aber auch höchste Zeit, dass ihr Jungs endlich kommt«, meinte Mrs. Farmson, richtete sich auf und griff nach ihrer Handtasche. »Wir wollten gerade anfangen.«
    »Ich habe lange darüber nachgedacht, wie deine Bestrafung aussehen soll, Stuart«, meldete sich Mr. Brightly zu Wort. »Ich denke, dies ist die beste Lösung, und ich bin überzeugt davon, du wirst mir zustimmen.«
    Mrs. Farmson öffnete ihre Tasche und holte einen Stapel Papiere hervor. Die eine Hälfte überreichte sie Chester, die andere mir. Erst jetzt fiel mir auf, dass die anderen Sünder bereits Blätter in der Hand hielten.
    »Am besten, ihr macht euch gleich daran, euren Text zu lernen«, riet Mrs. Farmson uns. »Wir sind unmittelbar nach der Gruppe aus Wernsbridge dran.«
    »Unseren Text?«, fragte ich und warf einen Blick auf die Seiten. »O nein …«, entfuhr es mir, als ich mich daran erinnerte, dass der ursprüngliche Grund für diese Veranstaltung das Treffen der Jugendgruppen war. Und jetzt wurde uns die zweifelhafte Ehre zuteil, etwas vorzusingen und ein selten dämliches Theaterstück aufzuführen.
    Meine Bestrafung war viel schlimmer, als ich gedacht hatte.

 
     
     
     
     
     

     
     
    Als Erstes waren die Lieder an der Reihe. Beide Gruppen – die Jugendlichen aus Wernsbridge und wir – traten auf die Bühne und gaben beliebte Popsongs zum Besten, die mit neuen christlichen Texten versehen worden waren.
    »Und das ist für die, die tatsächlich glauben, dass die Bibel langweilig ist!«, rief Mrs. Farmson in die Menge. »Hört euch das mal an!«
    Auf ihr Kommando legten wir los. Wir machten weder vor Elvis und den Beatles noch vor den Bee Gees halt: Love Me, Savior, We All Live in a Jesus Submarine und Savior’s Alive. Ich konnte geradezu spüren, wie sich der King, John Lennon und die anderen bei unserem Gejaule in ihren Gräbern umdrehten.
    Während wir sangen, ließ ich meinen Blick über die Menge schweifen. Wie ich schon sagte, hatte es den Anschein, als wäre die gesamte Stadt gekommen, um dem Spektakel beizuwohnen. Erst jetzt fiel mir auf, dass Wernsbridge ebenfalls fast vollständig anwesend war.
    »Guck mal!« Chester stupste mich an und machte eine Kopfbewegung. »Reverend
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