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Boese Maedchen sterben nicht

Boese Maedchen sterben nicht

Titel: Boese Maedchen sterben nicht
Autoren: Kim Harrison
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komische Klamotten tragen!«
    Darüber lachte er und sah auf meinen kurzen Rock, die Strumpfhose und das Oberteil, das so wenig zum Rest passte, dass das Gesamtpaket schon wieder stimmig wirkte. Ein guter Teil der Angespanntheit, die ich an ihm bemerkt hatte, seit er erfahren hatte, dass meine Mom in der Stadt war, schien von ihm abzufallen. Schon den ganzen Morgen über hatte er mich immer wieder heimlich gemustert, so als versuchte er herauszufinden, was plötzlich anders war. Ich bin mir sicher, dass er irgendwo tief in seinem Unterbewusstsein spürte, dass ich wieder lebendig war. Und jetzt suchte er fieberhaft nach einer vernünftigen Erklärung für diese Veränderung an mir. Lächelnd legte er den Arm um meine Schulter und gemeinsam schlenderten wir zu meiner Mom hinüber. Ich hatte auch für eines meiner Fotos eine Auszeichnung gewonnen. Meine Mutter stand vor dem Bild und der Stolz, den sie geradezu ausdünstete, übertönte beinahe den Duft ihres Dreihundert-Dollar-Parfüms.
    »Das ist wunderschön, Madison«, sagte sie. Dann nahm sie, obwohl ein Kugelschreiber an einem Faden neben der Auktionsliste hing, ihren eigenen Füller mit türkisfarbenen Intarsien aus ihrer Tasche und schrieb ein heillos überhöhtes Gebot auf den Zettel. »Fotografierst du immer noch deine Tagträume?«, fragte sie schließlich und spielte damit auf meine Kindheit an, als ich mit Vorliebe Wolkenfotos gemacht hatte. Dieses Bild hier war nichts Besonderes, nur eine Hausaufgabe für den Fotografiekurs. Wenn es nach mir ging, hatte es noch nicht einmal die Auszeichnung verdient. Das mit den Schwarzflügeln, die über einem verlassenen Haus kreisten, hatte gar keine Platzierung bekommen.
    »Danke, Mom«, sagte ich und achtete sorgfältig darauf, sie genauso lange zu umarmen wie meinen Dad, damit sie nicht zu streiten anfingen. Ich schloss die Augen, als ich ihren Duft nach Rohseide einatmete. Ihre Umarmung war für meinen Geschmack eine Idee zu fest und zu lang und sie wirkte beinahe bestürzt, als ich mich schließlich von ihr losmachte. Sie sah genauso aus wie immer in ihren schicken Schuhen, der modisch verknitterten Hose und ihrer Seidenbluse. Ihr Haarschnitt war der letzte konservative Schrei und ihr Make-up makellos. Über meine Klamotten und die eher lässige Kleiderwahl meines Dads hatte sie wie üblich die Nase gerümpft, aber ich konnte ihr ansehen, dass sie sich Sorgen um mich machte. Die Fältchen um ihre Augen hatten über ihre teure Feuchtigkeitscreme triumphiert und sie verraten.
    »Ich glaub’s einfach nicht, dass du den ganzen Weg von Florida hier raufgekommen bist, um dir eine Ausstellung im Einkaufscenter anzusehen, Mom«, sagte ich in der Hoffnung, sie davon abbringen zu können, Barnabas und Josh so anzustarren.
    Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder mir zu u nd schenkte mir ein unsicheres Lächeln. »Das hier hätte ich mir entgehen lassen sollen? Na, ganz bestimmt nicht. Ich habe diese Woche nur eine Benefizveranstaltung für die Krebshilfe, und die Leute, die sie organisieren, können das wahrscheinlich sogar viel besser als ich.« Sie steckte ihren Stift wieder ein und ignorierte geflissentlich meinen Dad, als sie zu dem Foto mit den Schwarzflügeln ging.
    »Hab ich dir erzählt, dass ich über Arizona fliegen musste?«, fügte meine Mutter hinzu und betrachtete kopfschüttelnd die »Krähen«. »Und dann ist mein Anschlussflug gestrichen worden. Ich wäre fast in einem Flieger nach Kalifornien gelandet, statt nach Illinois. Bei dieser Airline muss man wirklich auf alles gefasst sein.«
    Ich trat nervös von einem Fuß auf den anderen und wusste nicht, was ich sagen sollte. »Tja, ich freue mich jedenfalls, dass du hier bist«, erwiderte ich dann. »Das bedeutet mir wirklich viel.« Ich schlürfte den Rest meines Milchshakes. Mein Dad verkniff sich ein Lächeln, als meine Mutter dieses wenig vornehme Geräusch mit einem Stirnrunzeln quittierte. Es war das erste Mal seit Monaten, dass ich vor seinen Augen irgendetwas zu mir nahm, ohne dass er mich dazu zwingen musste. Außerdem hatte ich immer noch Hunger und warf einen Blick in den Imbissbereich hinüber, wo Barnabas mit Josh und einem halb leer gegessenen Teller Pommes saß. Nakita war ebenfalls aufgetaucht und stand nun mit verschränkten Armen und stechendem Blick bei ihnen. Sie und Barnabas stritten sich. Das war ja mal ganz was Neues …
    Meine Mutter hob die Augenbrauen, als sie das seltsame Trio betrachtete. Sie hatte schon immer alle Jungen genau im
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