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Boccaccio

Boccaccio

Titel: Boccaccio
Autoren: Hermann Hesse
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Philostratus redet
    man von Verliebten, deren Liebe ein tragisches Ende
    nahm.
    Füner Tag: Unter der Königin Fiammetta werden
    Geschichten erzählt, in welchen Liebende nach allerlei
    Hindernissen und Unfällen doch noch zum Glücke ge-
    langen.
    Sechster Tag: Unter der Königin Elisa ist die Rede
    von schnellen und witzigen Aussprüchen, Antworten
    und Neckereien.
    Siebenter Tag: Unter dem Könige Dioneus werden
    Streiche erzählt, welche Ehemännern von ihren Wei-
    bern gespielt wurden.
    Achter Tag: Unter der Königin Lauretta spricht man
    von Streichen und Possen, welche sowohl Eheleute wie
    beliebige andere Personen einander gespielt haben.
    Neunter Tag: Unter der Königin Emilia trägt ein
    jeder vor, was ihm behagt.
    Zehnter Tag: Unter dem König Pamphilus ist die
    Rede ausschließlich von Taten des Edelmutes und der
    Hochherzigkeit.
    
    Außerdem daß jede dieser hundert Novellen durch
    die Art und Person dessen, der sie erzählt, einen beson-
    deren Ton und eine eigene Art von Anmut gewinnt,
    sind die Erzählungen untereinander noch auf vielfache
    und zierliche Weise verbunden. Denn indem zumeist
    über die soeben vorgetragene Novelle sich ein kürzeres
    oder längeres Gespräch in der Gesellscha entspinnt,
    knüp alsdann der nachfolgende Erzähler fast immer
    an dieselbe an und bringt eine Historie zum Vortrag,
    welche das angeschlagene ema von einer neuen Seite
    beleuchtet und deutlicher macht, jedoch ohne daß hier-
    durch jemals der Anschein der Eintönigkeit erweckt
    würde. Denn bei mancher Ähnlichkeit des emas ist
    dennoch jede von diesen Novellen von allen anderen
    scharf unterschieden, und es gibt keine zwei darunter,
    die man so leicht miteinander verwechseln könnte.
    Nächstdem aber ist jeder Schatten von Gleichförmig-
    keit auch noch durch andere feine Künste vermieden
    worden, indem z. B. Dioneus, welcher der Hauptspaß-
    vogel der Gesellscha ist, stets mit völlig unerwarteten
    neuen Einfällen dazwischentritt, auch allerlei Anspie-
    lungen und Neckereien zwischen den Erzählenden vor-
    fallen.
    Dazu kommt, daß jeder von den zehn Tagen seine
    eigene Geschichte hat, mit allerlei kleinen Zwischen-
    fällen, so daß wir außer den täglich erzählten zehn
    Geschichten auch die übrigen Beschäigungen und
    Lustbarkeiten der Gesellscha erfahren. Daneben ist
    der Ort, an welchem sie sich auält und welchen sie
    
    zwischenein auch wechselt, mit Hainen, Teichen, Bä-
    chen, Blumen, Wild und Fischen stets auf das Anmu-
    tigste und Lebhaeste geschildert, wodurch im Gemüt
    des Lesenden teils ein fortwährendes Behagen, teils
    auch eine milde, angenehme Sehnsucht nach solchen
    auserlesen köstlichen Gegenden erregt wird. Denn der
    Dichter hat dieselben zwar einigen Örtern ähnlich ge-
    bildet, welche man in der Nähe von Florenz und na-
    mentlich im Tal des Mugnone antri, allein dennoch
    hat er sie in solcher Art geschmückt und dargestellt,
    wie es nur ein wahrer Künstler vermag, so daß sie alle
    etwas Verschöntes und wahrha Paradiesisches an sich
    tragen.
    So ist denn unter den zahlreichen Büchern, in wel-
    chen ein einzelner viele verstreute Erzählungen gesam-
    melt hat, in aller Welt kein einziges, welches irgendwie
    an Schönheit und Kunst dem Dekameron vergleichbar
    wäre. Der es seinerzeit geschrieben hat, tat es zum
    Trost der unglücklichen Liebenden und vornehmlich
    zur Erfreuung der Frauen, welchen denn auch das
    ganze Werk in einem vortrefflichen Prologe zugeeignet
    ist.
    
    Man hört gar häufig sagen, das Dekameron sei ein
    unanständiges und verwerfliches Buch. Und
    diejenigen, welche dies sagen und gerne predigen, sa-
    gen es zum Teil nach dem bloßen Hörensagen, zum Teil
    aber kennen sie das verwerfliche Buch sehr gut und
    lesen es in der Stille häufig. Was nun die Unanständig-
    keit betri, welche stets in Büchern viel heiger als im
    Leben bekämp wird, so kann und mag ich sie keines-
    wegs leugnen. Als ich einstmals in demselben Tal des
    Mugnone, wo es seinen Schauplatz hat, das Dekameron
    in einem schönen Frühlingsmonat ganz durchlas,
    pflegte ich der Wärme wegen frische Limonen dazu zu
    speisen. Und nun hatte ich die Gewohnheit, daß ich bei
    jeder Novelle, die mir unanständig erschien, einen Li-
    monenkern in meine Tasche steckte, und als ich ganz zu
    Ende gelesen hatte, zählte ich neununddreißig solche
    Kerne. Hiernach wäre denn etwas mehr als ein Dritteil
    des Dekameron von unanständiger
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