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Boccaccio

Boccaccio

Titel: Boccaccio
Autoren: Hermann Hesse
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Zeichner und Maler sich an
    ihm vergnügt und viele seiner Novellen in Bildern dar-
    gestellt; und noch im Jahre  hat der britische Ma-
    lermeister Millais aus der Novelle vom Basilikumtopf
    (Tag , Novelle ) eine Szene in einem berühmten Ge-
    mälde abgebildet.
    Der vielen anstößigen Stellen wegen hat man schon
    frühe des öeren sogenannte verbesserte und purgierte
    Ausgaben veranstaltet. Was in solchen Fällen, zumeist
    von geistlichen Herren, am Text verballhornt und ge-
    schändet worden ist, läßt sich leicht denken. Dabei
    kümmerte man sich übrigens wenig um die derben und
    heiklen Stellen, sondern vor allem um jene, in welchen
    Boccaccio der Geistlichkeit unliebsame Wahrheiten ge-
    sagt hat. Einmal, ums Jahr , wurden zu Florenz
    vier Herren ernannt zu der Aufgabe, das Dekameron
    endgültig von allen gegen die Satzungen der Kirche
    

    Sandro Botticelli, Wilde Jagd
    
    verstoßenden Stellen zu säubern. Da wurden, wo im-
    mer es nötig schien, aus den Mönchen Bürger und
    Ritter, aus den Nonnen Edeldamen gemacht, zwei von
    den Novellen wurden zu einem mysteriösen Unsinn
    verbessert, und als nach langer Mühe die Ausgabe voll-
    endet war, zeigte es sich, daß den Herren eine der
    heitersten Geschichten durch die Finger geschlüp
    war, und jenes Dekameron hatte statt hundert nur neun-
    undneunzig Novellen. Außerdem ist das Buch häufige
    Male »für die Jugend« ediert worden und wird es in
    Italien »per giovani modesti« heute noch.
    Besonders schlimm erging es ihm mehr als hundert
    Jahre nach seines Verfassers Tod, zur Zeit des wohlbe-
    kannten oder übelbekannten Savonarola. Dieser wü-
    tende und vermutlich geisteskranke Mönch, welcher
    nach Kräen dazu beitrug, Florenz und Italien dem
    Untergang näher zu bringen, hat außer einer Menge
    von anderen schönen Dingen auch sehr viele Exem-
    plare des Dekameron öffentlich verbrennen lassen.
    Wo jedoch eine kräige Quelle aus der Erde gebro-
    chen ist, hat das Verbauen und das Exorzieren niemals
    viel geholfen, und es ist schwerer, etwas geistig Leben-
    diges zu ertöten, als etwas Totes wieder zum Leben zu
    bringen. So hat denn auch Boccaccio manche Zeit-
    genossen und Nachfolger gehabt, deren erloschenen
    Ruhm die Gelehrten mit unsäglichen Mühen bis auf
    heute herüber geschleppt haben, indessen er selber in-
    mitten aller Keulenschläge am Leben blieb und heute
    noch den gleichen Glanz und Zauber hat wie seinerzeit.
    
    Indem ich dieses schreibe, träumt mir von einem Zy-
    pressenbaum am Hügelabhang zwischen Vincigliata
    und Settignano, wo ich vor Zeiten zum erstenmal, im
    Grase liegend, das köstliche Buch genoß. Es lief ein
    lauer Wind talab, mit Blütendu von Limonen und
    Mandeln beladen, es lag ein süßes Licht über Florenz
    und allen Bergen, und es sang aus einem fernen Garten
    eine welsche Laute herüber, allein ich sah es nicht und
    hörte es nicht; ein süßerer Du und ein viel köstlicherer
    Klang stieg mir aus den gelben Blättern des alten Bu-
    ches zu Häupten.
    
    Das Buch Dekameron ist auf eine solche Art einge-
    richtet, daß seine hundert Novellen an zehn Ta-
    gen von zehn jungen und edlen Leuten erzählt werden,
    und darunter sind sieben Mädchen und drei Jünglinge.
    Auf diese Weise kommt daher jede Novelle nicht aus
    unbestimmter Ferne, sondern frisch aus dem Munde
    eines jungen Erzählenden zu uns her geklungen. Und
    überdies ist also diese Zahl von hundert Geschichten
    und Schwanken von einer lebendigen Erzählung um-
    flochten, hat auch jeder von den zehn Tagen seine
    besondere Art und Färbung.
    Die Erfindung des Boccaccio ist diese: Zur Zeit des
    schwarzen Todes, welcher die Stadt Florenz im Jahre
     heimsuchte, waren in dieser Stadt alle früheren
    Ordnungen und Gewohnheiten vollkommen aufge-
    löst. Es lagen in den Häusern, auf den Treppen und vor
    den Türen, ja in allen Gassen da und dort teils Tote, teils
    Todkranke umher, und die Gefahr der Ansteckung war
    so groß, daß Eltern und Kinder, Brüder und Schwe-
    stern einander flohen und die Erkrankten einsam und
    ohne Pflege dahinsterben ließen, welche Zustände Herr
    Boccaccio im Beginn seines Buches mit der größten
    Genauigkeit und Sichtbarkeit uns schildert. Bei solcher
    grausamen Verwirrung und Schrecknis trafen sich ei-
    nes Morgens sieben junge Damen in der herrlichen
    Kirche Santa Maria Novella, welche zwar damals noch
    der berühmten Wandmalereien des Ghirlandajo
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