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Bob, der Streuner

Bob, der Streuner

Titel: Bob, der Streuner
Autoren: James Bowen
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irgendjemand Bob gesehen?«
    Dabei ging es mir miserabel. Ich hatte mir wehgetan, als mich der Rottweiler umrannte, und ich blutete aus mehreren Bisswunden an den Händen.
    In dem Moment tauchte eine Stammkundin auf, die immer etwas Leckeres für Bob dabei hatte. »Ich habe Bob gesehen, er ist in Richtung Camden Passage gelaufen«, rief sie aufgeregt. »Ich habe versucht, seine Leine zu erwischen, aber er war zu schnell.«
    »Vielen Dank«, antwortete ich, während ich meinen Rucksack schnappte und losrannte. Mein Herz pochte laut vor Angst.
    Ich dachte an seine panische Flucht am Piccadilly Circus. Damals hatte ihn ein kostümierter Mann erschreckt, aber diesmal war es ein wirklich bedrohlicher Angriff gewesen. Wenn ich mich nicht dazwischengeworfen hätte, hätte ihn der Rottweiler sicherlich gepackt. Wer weiß, was dieser Hundeangriff bei ihm ausgelöst hatte. Vielleicht hat es ihn an ein Erlebnis aus seiner Vergangenheit erinnert. Ich hatte keine Ahnung, wie es ihm gerade ging, aber wahrscheinlich war er genauso verstört und verängstigt wie ich.
    So schnell ich konnte, rannte ich zur Camden Passage. Es war ein Hindernislauf, denn ich musste mich durch einen nicht enden wollenden Wust aus gemütlich dahinschlendernden Spaziergängern drängeln, die rund um die Pubs, Restaurants und Bars unterwegs waren.
    »Bob, Bob!«, rief ich dabei unentwegt und handelte mir empörte Blicke der Passanten ein. »Hat jemand einen roten Kater gesehen, der seine Leine hinter sich herzog?«, fragte ich eine Gruppe von Leuten, die vor dem größten Pub in der Passage herumstanden.
    Aber sie zuckten nur mit den Schultern und schüttelten die Köpfe.
    Ich hatte gehofft, Bob würde sich wieder Schutz in einer der Boutiquen suchen, wie damals am Piccadilly Circus. Aber die meisten hatten bereits geschlossen. Nur die Bars, Restaurants und Kaffeehäuser waren geöffnet. Ich arbeitete mich systematisch durch alle Lokale in der Passage und fragte herum, aber niemand hatte Bob gesehen. Wäre er an der Passage vorbeigelaufen und weiter in Richtung Norden, dann wäre er an der Essex Road herausgekommen, der Hauptstraße, die weiterführte nach Dalston und darüber hinaus. Einen Teil dieser Route kannte Bob, aber nicht bei Nacht und nicht allein.
    Ich war schon völlig verzweifelt, als ich am anderen Ende der Passage, kurz vor dem Ausgang, der nach Islington Green führte, eine Frau traf, die mir Auskunft geben konnte. Auf meine Frage antwortete sie: »Ja, ich habe eine Katze gesehen. Sie ist in diese Richtung gelaufen.« Dabei zeigte sie auf die Straße hinaus. »Sie ist an mir vorbeigeschossen wie eine Rakete. Draußen ist sie in Richtung Hauptstraße abgedreht, und es sah aus, als wollte sie über die Straße.«
    Ich lief sofort hinterher und sah mich draußen um. Bob liebte Islington Green mit seinen umliegenden Grünflächen. In dieser Ecke parkte donnerstags auch immer der Bus vom Blue Cross mit der Tierambulanz. Hier könnte er sich versteckt haben. Ich überquerte die Straße und betrat die kleine umzäunte Grünanlage. Es gab ein paar Büsche, unter denen er immer gern herumwühlte. Ich ging vor jedem einzelnen in die Knie, um darunter nachsehen zu können. Inzwischen war es dunkel geworden, und ich sah kaum noch die Hand vor den Augen. Entgegen aller Vernunft hoffte ich dennoch, unter einem der Büsche würde mich ein grün blitzendes Augenpaar anstarren.
    »Bob, bist du da, Bob?«, fragte ich vor jedem Busch. Aber ich bekam keine Antwort. Ich ging bis ans andere Ende der kleinen Anlage und rief weiter nach ihm. Aber außer dem Gegröle von ein paar Betrunkenen auf einer Parkbank war nur der penetrante Lärm des Straßenverkehrs zu hören, der um die kleine grüne Oase tobte.
    Völlig verzagt lief ich weiter, bis ich plötzlich vor der großen Waterstone- Buchhandlung in Islington stand. Bob und ich waren oft dort drin und die Angestellten mochten ihn sehr. Ich griff nach jedem Strohhalm … vielleicht hatte er dort Zuflucht gefunden.
    Drinnen war nicht viel los. Nur ein paar Mitarbeiter bereiteten schon alles für den Ladenschluss vor. Nur wenige Kunden stöberten noch in den Bücherregalen. Ich erkannte eine der Damen hinter der Kasse. Ich war total verschwitzt, atmete schwer und sah wahrscheinlich ziemlich verstört aus.
    »Alles okay mit Ihnen?«, fragte sie mich.
    »Bob ist weg. Ein Hund hat uns angegriffen, und Bob ist davongelaufen. Ist er vielleicht hier?«
    »Oh, leider nicht.« Sie sah ehrlich besorgt aus. »Ich war die
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