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Bob, der Streuner

Bob, der Streuner

Titel: Bob, der Streuner
Autoren: James Bowen
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und in der U-Bahn-Halle summte es wie in einem Bienenstock.
    Offenbar hatte es sich herumgesprochen, dass in dieser Gegend gut situierte Leute unterwegs waren. Jedenfalls hatte der Jahreswechsel – unglücklicherweise – auch ein paar unangenehme Leute an unseren Standort gelockt.
    Wenn man das Leben auf den Straßen von London so gut kennt wie ich, entwickelt man ein Gespür für Menschen, die man unbedingt meiden sollte. Eines frühen Abends, so zwischen 18.30 und 19 Uhr, also genau in der Zeit, in der ich immer viel zu tun hatte, tauchte so ein Typ auf. Er war mir schon öfter unangenehm aufgefallen.
    Er sah sehr heruntergekommen aus. Ich gehöre auch nicht zu den bestangezogenen Männern dieser Stadt, aber dieser Kerl war dürr und verwahrlost. Er machte dem Begriff »Penner« alle Ehre. Seine Haut war rot und fleckig, die Klamotten standen vor Dreck. Trotzdem wäre er mir ohne seinen Hund wohl gar nicht aufgefallen. Er hatte einen riesigen schwarzen Rottweiler mit braunen Flecken. Mir war sofort klar, dass dieser Hund aggressiv war. Der Anblick der beiden erinnerte mich an eine alte Zeichnung von Bill Sikes und seinem Hund »Bull’s Eye« aus Oliver Twist. Sie waren Querulanten, allzeit bereit, sich mit dem Rest der Welt anzulegen.
    Auch an diesem Abend hatte er den Hund dabei. Er setzte sich zu ein paar zwielichtigen Gestalten, die seit über einer Stunde neben dem U-Bahn-Ausgang saßen und Bier tranken. Sie waren mir allesamt nicht geheuer.
    Der Rottweiler hatte Bob sofort entdeckt und zerrte an seiner Leine. Seine Lefzen trieften vor Gier nach meinem Kater. Sein Besitzer hielt den Hund zwar kurz, aber wie lange noch? Quatschen und sich die Birne zusaufen schien jedenfalls wichtiger, als auf seinen Hund aufzupassen.
    Aber ich wollte sowieso gerade Schluss machen. Wegen der bereits fröhlich grölenden Säufer beeilte ich mich mit dem Zusammenpacken meiner Zeitschriften. Sie – und vor allem der Hund – machten mich nervös. Ich wollte Bob und mich möglichst schnell in Sicherheit bringen.
    Ich war gerade dabei, meine Zeitschriften aufzuheben, als mich ein lautes, hysterisches Bellen erschreckte. Der Rest lief wie in Zeitlupe ab. Eine schlechte Actionszene aus einem ganz schlechten Actionfilm.
    Als ich mich umdrehte, zischte ein schwarzbrauner Pfeil auf uns zu. Sein Besitzer, der Idiot, hatte die Leine nicht richtig festgebunden. Der Rottweiler war frei. Ich wollte Bob schützen und stellte mich instinktiv dem Hund in den Weg, aber das Riesenvieh rannte mich einfach um. Im Fallen schaffte ich es, meine Arme um seinen Bauch zu schlingen. Ich riss ihn mit zu Boden, aber der Rottweiler drehte und wand sich, um sich aus meiner Umklammerung zu befreien. Brüllend und fluchend versuchte ich, das wütende Tier am Kopf zu packen, damit es nicht zubeißen konnte, aber der Hund war einfach zu stark.
    Rottweiler sind Kraftpakete, und hätte unser Kampf nur wenige Sekunden länger gedauert, hätte ich bestimmt den Kürzeren gezogen. Ich will gar nicht daran denken, wie schwer mich das Biest hätte verletzen können. Zum Glück hörte ich umgehend eine Stimme, die den Hund anbrüllte, und ich spürte, wie er von mir weggerissen wurde.
    »Hierher, du verdammtes ***«, schrie der Besitzer und zog den Hund mit aller Kraft aus der Gefahrenzone. Dann zog er ihm etwas Hartes über den Schädel. Ich weiß nicht, was es war, aber das Geräusch drehte mir fast den Magen um. Unter anderen Umständen hätte ich mir um das arme Tier Sorgen gemacht, aber in diesem Moment dachte ich nur an Bob. Er hatte sich bestimmt zu Tode erschreckt. Ich drehte mich nach ihm um – aber sein Platz war leer. Ich drehte mich im Kreis, um zu sehen, ob ihn vielleicht jemand hochgehoben hatte, um ihn zu beschützen. Aber ich konnte ihn nirgends entdecken. Er war weg.
    Erst jetzt begriff ich, was passiert war. Ich hatte noch einen Packen Zeitschriften holen wollen, den ich unter einer Bank neben uns abgelegt hatte. Bobs Leine war für die Entfernung aber nicht lang genug. Weil ich so in Eile war, von hier wegzukommen, hatte ich die Leine von meinem Gürtel losgemacht, um kurz zu der Bank hinüberzulaufen. Wie blöd war das denn? Der Rottweiler musste mich beobachtet haben. Deshalb hatte er sich genau in dem Moment, als ich ihm den Rücken zukehrte, losgerissen, um auf Bob loszugehen.
    Ich bekam es mit der Angst zu tun.
    Ein paar Leute hatten sich um mich versammelt und fragten, ob es mir gut ginge.
    »Mir geht es gut«, wehrte ich ab. »Aber hat
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