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Bob, der Streuner

Bob, der Streuner

Titel: Bob, der Streuner
Autoren: James Bowen
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Treppenaufgang auf mich wartete. Sie kannte mich ziemlich gut und somit auch meine Schwäche für Samtpfoten. Unbeeindruckt wies sie mich zurecht: »Nein, James, du kannst ihn nicht mitnehmen!« Sie deutete auf die Wohnungstür hinter dem Kater. »Ich glaube nicht, dass er nur zufällig hier hereinspaziert ist und sich auf diese Matte gesetzt hat. Bestimmt gehört er irgendwelchen Nachbarn. Er wartet nur darauf, dass sie nach Hause kommen.«
    Sie war eben die Vernünftigere von uns beiden. Man kann eine Katze nicht einfach mitnehmen, auch wenn alles darauf hindeutet, dass sie kein Zuhause hat. Ich war selbst gerade erst hier eingezogen und noch gar nicht wirklich angekommen. Sollte die Katze tatsächlich den Nachbarn gehören, wären diese zu Recht sauer, wenn ihr Stubentiger plötzlich verschwunden wäre. Außerdem konnte ich in meinem Leben gerade keine zusätzliche Verantwortung brauchen. Ich, ein gescheiterter Musiker auf Drogenentzug, der in einer Sozialwohnung von der Hand in den Mund lebte. Es war schwer genug, für mich selbst zu sorgen.
    Als ich am nächsten Morgen die Treppe herunterkam, war der rote Kater immer noch da. Es sah aus, als hätte er sich in den letzten zwölf Stunden nicht von der Stelle gerührt.
    Wieder ging ich in die Hocke und streichelte ihn. Sein lautes Schnurren zeigte mir, wie sehr er die Berührung genoss. Ganz hundertprozentig traute er mir zwar immer noch nicht über den Weg, aber mir schien, er fand mich ganz akzeptabel.
    Bei Tageslicht konnte ich mir den kleinen Felltiger genauer ansehen: Markant geschnittener Katerkopf und ganz ungewöhnliche gelbgrüne Augen, deren Ausdruckskraft durch sein hellrotes Fell noch zusätzlich betont wurde. Aber auch Schrammen im Gesicht und an den Beinen, die von einem Kampf oder Unfall stammen konnten. Sein wunderschön gezeichneter Pelz in diversen Rot- bis Beigetönen war tatsächlich stumpf und dünn, teilweise nicht mehr vorhanden. Er tat mir wirklich leid, aber ich zwang mich, vernünftig zu bleiben. Ich hatte genug Probleme. Schweren Herzens nahm ich den Bus nach Covent Garden, um mir dort mit meiner Musik ein paar Pfund zu verdienen.
    Erst gegen zehn Uhr abends war ich wieder zurück in Tottenham. Ich konnte nicht nach oben gehen, ohne nach dem roten Kater zu sehen, aber er war verschwunden. Ich war enttäuscht und erleichtert zugleich. Er war mir schon mehr ans Herz gewachsen, als ich dachte. Aber ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass Kater und Besitzer wieder glücklich vereint waren.
    Als ich am Samstag gegen Mittag die Treppen hinunterkam, schnürte es mir den Magen zusammen, denn er war wieder da. Aber ich konnte meine Augen nicht länger verschließen: Er war ein rotes Häufchen Elend. Er sah hilfsbedürftiger und zerzauster aus denn je. Und er zitterte, bestimmt vor Hunger und Kälte.
    »Da bist du ja wieder«, begrüßte ich ihn und kraulte sein zerrupftes Fell. »Siehst aber gar nicht gut aus heute!«
    Ich musste endlich etwas tun.
    Entschlossen klopfte ich an die Wohnungstür hinter dem Kater. Ich wollte seine Besitzer finden und zur Rede stellen. Niemand darf sein Haustier so behandeln. Der Kater brauchte Wasser und Futter – und wahrscheinlich auch einen Tierarzt.
    Der Kerl, der mir die Tür öffnete, war unrasiert, trug ein Feinripp-Muscleshirt und Jogginghosen. Er sah aus, als hätte ich ihn geweckt. Dabei war es schon Mittag!
    »Entschuldigen Sie bitte die Störung. Ist das Ihre Katze?«, fragte ich. Zuerst starrte er mich an, als wäre ich nicht ganz richtig im Kopf. »Welche Katze?«, knarzte er, bevor er nach unten sah und den Kater auf seiner Fußmatte entdeckte. Der hatte sich inzwischen wieder zusammengerollt, als ginge ihn das alles gar nichts an. »Nein!«, antwortete der Nachbar dann mit einem lapidaren Schulterzucken. »der gehört mir nicht!«
    »Er ist schon seit Tagen hier«, teilte ich ihm mit, aber Mr. Feinripp blieb so teilnahmslos wie der Kater auf der Matte.
    »Echt? Der hat wohl Essen gerochen oder so was. Also, wie gesagt: Is’ nicht meiner!« Sprach’s und schlug mir die Tür vor der Nase zu.
    Die Würfel waren gefallen.
    »Okay, mein Freund, dann kommst du jetzt mit mir«, informierte ich das matte Bündel auf vier Pfoten. Ich öffnete meinen Rucksack und kramte tief unten nach der Packung mit dem Trockenfutter. Das hatte ich immer dabei, weil mir als Straßenmusiker immer viele Katzen und Hunde begegneten, die sich über ein Leckerchen freuten.
    Verheißungsvoll schüttelte ich die Schachtel vor
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