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Bob, der Streuner

Bob, der Streuner

Titel: Bob, der Streuner
Autoren: James Bowen
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durchhalten. Ich wollte ihn tragen, fand aber nur eine grüne Recyclingkiste für den Transport. Ideal war das nicht. Auch der Kater war nicht begeistert von meiner Notlösung, diesem Tragekorb für Arme. Er wollte nicht stillsitzen, steckte immer wieder seine Vorderpfoten über den Rand der Kiste und versuchte, hinauszuspringen. Katzenterror vom Feinsten. »Na, dann komm, ich trag’ dich«, gab ich nach und nahm ihn auf den freien Arm. Den anderen brauchte ich zum Tragen der grünen Kiste. Er kletterte auf meine Schulter hoch und ließ sich dort nieder, während ich das leere Recycling-Monster den ganzen langen Weg bis zur RSPCA -Ambulanz schleppen durfte.
    Im Warteraum der Praxis war die Hölle los. Es war brechend voll. Fast nur Hunde, deren Besitzer genauso aggressiv auftraten wie ihre Tiere. Die meisten dieser Jungs waren unter zwanzig, mit abstoßenden Tattoos und kahl geschorenen Köpfen im Skinhead-Stil. Siebzig Prozent der wartenden Hunde waren Staffordshire Bullterrier, deren Verletzungen mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Kämpfen mit Artgenossen stammten. Ich tippte auf illegale Volksbelustigung für eine verrohte Meute gelangweilter Zeitgenossen. Es heißt, Großbritannien sei eine Nation von Tierliebhabern. Davon war hier leider nicht viel zu spüren. Es ist unfassbar, wie manche Leute mit ihren Tieren umgehen.
    Der Kater saß abwechselnd auf meinem Schoß und auf meiner Schulter. Er war ziemlich unruhig. Kein Wunder, denn die Hunde bellten und knurrten wütend in unsere Richtung. Manche bedrohten ihn mit hochgezogenen Lefzen. Nur mit beträchtlichem Kraftaufwand gelang es ihren Besitzern, sie zurückzuhalten. Sie hätten ihn wohl am liebsten zerfleischt.
    Ein Hund nach dem anderen wurde in den Behandlungsraum geholt. Jedes Mal, wenn die Sprechstundenhilfe auftauchte und jemand anderen aufrief, waren wir enttäuscht. Letztendlich vergingen viereinhalb Stunden, bis wir endlich an der Reihe waren. Als mein Name aufgerufen wurde, war es eine Erlösung für uns beide: »Mr. Bowen, Sie sind dran.«
    Ein Tierarzt in mittleren Jahren erwartete uns. Er hatte den gelangweilten Gesichtsausdruck eines abgebrühten Mannes, der viel Schlimmes gesehen hatte. Vielleicht lag es an der aggressiven Stimmung im Wartezimmer, die ich so lange hatte ertragen müssen, aber er war mir sofort unsympathisch.
    »Also, was ist das Problem?«, fragte er dann auch ziemlich schroff.
    Ich wusste, der Mann macht nur seinen Job, aber ich hätte am liebsten geantwortet: »Ja, wenn ich das wüsste, wäre ich nicht hier!« Aber ich verkniff mir die Antwort.
    Stattdessen erzählte ich ihm, wie ich die Katze im Hausflur auf dem Weg zu meiner Wohnung gefunden hatte, und zeigte ihm die Wunde am Hinterbein des Katers.
    »Okay, mal sehen …«, nuschelte er.
    Nach kurzer Untersuchung bekam mein Findling eine Spritze mit Diazepam gegen die Schmerzen. Und ein Rezept für Amoxicillin, ein Antibiotikum, das er zwei Wochen einnehmen sollte.
    »Wenn sich sein Zustand in vierzehn Tagen nicht gebessert hat, kommen Sie bitte wieder«, sagte der Tierarzt. Nur widerwillig und auf meine ausdrückliche Bitte hin durchkämmte er noch kurz das Fell nach Flöhen. Zum Glück fand er keine.
    »Trotzdem sollten Sie ihm vorbeugend Tabletten gegen etwaigen Flohbefall geben. Besonders junge Katzen sind da sehr anfällig«, belehrte er mich. Als ob ich das nicht wüsste! Wieder verkniff ich mir die Antwort. Ich sah zu, wie er auch für dieses Medikament ein Rezept ausstellte.
    Immerhin kam er noch selbst auf die Idee, den Kater nach einem Mikrochip abzusuchen. Leider ohne Erfolg. Also doch ein Straßenkater?
    »Sie sollten ihm so bald wie möglich einen Chip einpflanzen lassen«, riet er mir »… und er gehört kastriert.« Damit drückte er mir ein Informationsblatt für ein kostenfreies Kastrationsprogramm für Streuner in die Hand. Ich nickte zustimmend und dachte dabei an die wilden Temperamentsausbrüche meines neuen Mitbewohners, die meine Möbel ziemlich strapazierten. Lächelnd stimmte ich zu und hoffte, es würde ihn interessieren, warum. Aber da kam nichts. Er war bereits damit beschäftigt, seine Notizen in den Computer zu hacken und die Rezepte auszudrucken. Wir waren hier nur Teil eines Fließbandprozesses, und scheinbar war es Zeit, uns aus der Tür zu schubsen, um für den nächsten Patienten Platz zu machen. Der Tierarzt konnte nichts dafür. Es war das System.
    Und dieses System hatte uns schon nach wenigen Minuten wieder ausgespuckt. Der Kater und
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