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Bob, der Streuner

Bob, der Streuner

Titel: Bob, der Streuner
Autoren: James Bowen
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Düftchen vollends zu beseitigen.
    Als ich ihn eines Morgens wieder einmal bei diesem Ritual beobachtete, kam mir die Idee, er könnte bei Zirkusleuten oder Travellern gelebt haben. Fahrendes Volk kam oft nach Tottenham. Ganz in der Nähe unseres Mietshauses gab es ein Stück Land, auf dem immer irgendwelche Gruppen campierten. Vielleicht gehörte er zu einer dieser Familien. Vielleicht war er nur versehentlich zurückgelassen worden, als sie weiterzogen. Das würde erklären, warum er Menschen zwar mochte, aber der für Salonlöwen selbstverständliche Feinschliff fehlte.
    Bob wurde immer anhänglicher, und auch ich wollte ihn nicht mehr missen. Sein anfängliches Misstrauen schwand zusehends. Er fühlte sich deutlich sicherer und wurde immer zutraulicher. Trotzdem blieb er wild und ungestüm. Böse konnte ich ihm deswegen nicht sein, denn schließlich war er jung und unkastriert.
    Schnell fanden wir einen Rhythmus für unseren gemeinsamen Tagesablauf. Am Vormittag ließ ich Bob allein zu Hause und fuhr nach Covent Garden. Dort machte ich so lange Musik, bis ich genug Geld für unsere Tagesration an Essen eingespielt hatte. Wenn ich nach Hause kam, stand Bob schon wartend an der Wohnungstür. Dann folgte er mir zum Sofa, und wir sahen gemeinsam fern. Mir wurde langsam klar, was für ein kluger Junge er war. Er bewies mir täglich aufs Neue, dass er immer verstand, was ich ihm mitteilen wollte.
    Immer wenn ich einladend mit der Hand auf das Sofa schlug, sprang er hoch und legte sich neben mich. Wenn ich ankündigte: »Es ist Zeit für deine Tabletten!«, wusste er genau, was auf ihn zukam. Seine Antwort war jedes Mal ein verzweifelter Blick, der sagte: »Muss das sein?« Aber er wehrte sich nie, wenn ich die Pille in sein Maul schob und ihm dann die Kehle kraulte, bis er sie geschluckt hatte. Die meisten Katzen würden bei dem Versuch, ihnen etwas Unangenehmes zu verabreichen, kratzen, beißen, fauchen und sich wehren. Aber Bob blieb sogar bei dieser Tortur sanft und verständnisvoll.
    Schon damals wurde mir klar, dass Bob etwas ganz Besonderes war. So ein außergewöhnliches Katzenwesen war mir noch nie begegnet.
    Aber er hatte auch seine Macken. So wusste er zum Beispiel genau, dass sein Futter in der Küche versteckt war. In regelmäßigen Abständen polterten Töpfe und Pfannen in der Küche zu Boden, weil Kater Nimmersatt nach mehr Nahrung suchte. Küchenmöbel und Kühlschrank waren bereits gezeichnet von besessenen Kratzattacken auf das unschuldige Mobiliar, weil er hinter jedem Schranktürchen etwas Leckeres zum Naschen vermutete.
    Zu seiner Verteidigung sei jedoch gesagt, dass er auf ein strenges »Nein« immer sofort reagierte. Sobald mein tadelndes »Nein! Gehst du da weg!« an sein Ohr drang, schlich er sichtlich zerknirscht davon. Ein helles Köpfchen eben. Dieses gute Benehmen warf bei mir weitere Fragen über seine Herkunft auf. Ein verwilderter Straßenkater würde doch nicht auf das Kommando eines Menschen hören, oder?
    Wir hatten viel Spaß miteinander, aber ich musste aufpassen, dass unsere Bindung nicht zu eng wurde. Denn früher oder später würde er seine Freiheit zurückfordern. Er war eben kein Stubentiger, für den die Eroberung der Kuscheldecke seines Besitzers der Höhepunkt des Tages war.
    In der kurzen Zeit, die mir als sein Beschützer zur Verfügung stand, wollte ich meiner verantwortungsvollen Rolle gerecht werden. Dazu gehörte auch, ihn auf seine Rückkehr auf die Straße vorzubereiten. Und so füllte ich eines Morgens endlich das Formular der RSPCA -Ambulanz aus, um ihn für das kostenlose Kastrationsprogramm anzumelden. Ich schickte es per Post ab und war ziemlich erstaunt, als ich bereits nach zwei Tagen ein Antwortschreiben im Briefkasten hatte. Es war ein Gutschein für die unangenehme, aber wichtige Operation.
    Jeden Morgen gingen wir noch vor dem Frühstück nach unten, damit Bob pinkeln konnte. Sein Kistchen verstaubte weiterhin ungenutzt in einer Ecke meiner Wohnung. Hochnäsig machte er nach wie vor einen großen Bogen um das seltsame Ding.
    Eines Tages verschwand er wieder in den Büschen, die unser Mietshaus vom nächsten trennten. Das war sein bevorzugter Platz, sein Freiluftkatzenklo. Angeblich markieren Katzen so ihr Revier, das habe ich mal in einem wissenschaftlichen Artikel über Katzen gelesen.
    Sein Geschäft war schnell erledigt, die Aufräum- und Verscharr-Aktion dauerte, wie üblich, viel länger. Die Sauberkeit und Ordnungsliebe von Katzen hat mich schon
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