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Blutspuren

Blutspuren

Titel: Blutspuren
Autoren: Hans Girod
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Ihre Besorgnis verfliegt. Nun kann sie beruhigt das Haus verlassen. Vorsorglich verriegelt sie Haustür und Gartenpforte. Die kleine Sabine an der Hand macht sie sich sodann auf den Weg zum Gemüseladen.
    Frohgemut kehrt Manuela Teige gegen 11.00 Uhr heim, die begehrten Bananen im Einkaufsbeutel. Als sie die Gartenpforte öffnet, fällt ihr Blick auf das Fenster des Gästezimmers. Sie ist verwundert, daß die Jalousie hochgezogen ist. Der Junge wird wach sein, mutmaßt die Mutter und geht ins Haus. Doch Michael ist nicht zu erblicken. Auf dem Weg zur Küche lauscht sie an der Tür zum Gästezimmer. Drinnen ist Stille. Er wird doch noch schlafen, beruhigt sie sich und verstaut die exotischen Früchte in der Speisekammer. Aber eine undefinierbare Unruhe treibt sie wieder zurück zum Gästezimmer.

    Vorderansicht des Hauses in der Leipziger Saefkow-Straße. Das mittlere untere Fenster gehört zu dem Zimmer, in dem der Junge schlief.
    Behutsam öffnet sie die Tür, denn ihretwegen soll der Junge nicht aufwachen. Michael liegt, die Decke über den Kopf gezogen, still im Bett. Nur die Konturen seines Körpers sind zu erkennen. Der Junge kiegt ja keine Luft, denkt die Mutter besorgt, tritt heran und schlägt die Decke zurück. Um Himmels willen, was ist das? Entsetzen trifft sie wie ein Keulenschlag. Fassungslos blickt sie auf Michael, der mit nacktem Oberkörper bewegungslos auf der Seite liegt. Merkwürdigerweise trägt er die Shorts, die ihm die Mutter, bevor sie ging, ausgezogen hatte. Sein Gesicht ist fahlblaß. Die spaltweit geöffneten Augen starren ins Leere. Um seinen Hals sind die Gurte des Wandklappbettes geschlungen und verknotet. Aus einem Mundwinkel ist etwas Blut herausgelaufen.

    Bett des getöteten Jungen mit den zur Drosselung verwendeten Gurten, die die Mutter beim Rettungsversuch durchtrennt hat.
    Instinktiv beugt sich die Mutter über den Jungen, prüft, ob noch Leben in ihm ist. Jedoch: Kein Atem, kein Herzschlag sind zu spüren. Sie ist so verstört, daß ihr Hirn keinen Gedanken darüber zuläßt, wie diese schreckliche Situation zustande gekommen sein könnte. Wie ferngesteuert befreit sie das Kind von den strangulierenden Gurten, versucht vergeblich durch eine Mund-zu-Mund-Beatmung dem reglosen Körper neues Leben einzuhauchen. Immer und immer wieder versucht sie es. Ein aussichtsloser Kampf zwischen verzweifelter Hoffnung und harter Realität. Panik erfaßt sie schließlich. Kopflos stürmt sie aus dem Haus, klingelt bei den Nachbarn, schreit laut um Hilfe. Männer, die auf der Straße Tiefbauarbeiten verrichten, eilen herbei. Nachbarn kommen hinzu. Doch niemand kann wirklich helfen. Eine Frau von Gegenüber kümmert sich derweil um die kleine Sabine, die die verzweifelte Geschäftigkeit der Erwachsenen nicht begreifen kann. Kindern, die in der Nähe spielen, gelingt es wenigstens, ein zufällig vorbeifahrendes, freies Taxi anzuhalten. Die Mutter ergreift die Gelegenheit. Den leblosen Jungen in den Armen haltend, gelangt sie so in die nur wenige Fahrminuten entfernt liegende Poliklinik des Sankt-Georg-Krankenhauses. Noch klammert sie sich an die Hoffnung, Michaels Leben könne erhalten werden. Sie schildert den Männern in Weiß, in welch verhängnisvoller Lage sie den Jungen vorgefunden habe. Doch die Ärzte erkennen schnell, daß ihre Kunst nichts mehr bewirken kann. Denn der Tod des kleinen Michael ist bereits vor geraumer Zeit eingetreten, vermutlich verursacht durch eine rätselhafte Strangulation. Manuela Teige befindet sich inzwischen in einen so erbärmlichen Seelenzustand, daß sie selbst ärztliche Hilfe benötigt. Kreislaufunterstützende und nervenberuhigende Maßnahmen, aber auch tröstende Gespräche folgen. Das Krankenhauspersonal bemüht sich redlich.
    Da die verdächtigen Umstände des Todes zur Anzeige verpflichten, telefoniert die diensthabende Ärztin kurz darauf mit der Einsatzzentrale des VPKA. Der Vater des toten Jungen, Karsten Teige, wird ebenfalls informiert. Voller Bestürzung, aber äußerlich gefaßt, nimmt er die schreckliche Nachricht zur Kenntnis. Augenblicklich begibt er sich ins Krankenhaus. Seine Frau wartet, sich mit Schuldgefühlen quälend, weil sie ihren Jungen für kurze Zeit allein ließ.
    Kriminalobermeister Niemann (33) aus dem VPKA, seit mehreren Jahren für Todesermittlungssachen zuständig, und Dr. Schlegel vom Institut für gerichtliche Medizin und Kriminalistik, sind kurz nach 14.00 Uhr zur Stelle. Der Gerichtsarzt beschränkt sich auf die äußere
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