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Blutspuren

Blutspuren

Titel: Blutspuren
Autoren: Hans Girod
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richtet sich auf die direkte Reizung peripherer erogener Körperzonen oder zentraler sexueller Regionen, aber auch auf die Schaffung stimulierender Angst- und Leidenssituationen. Manchmal werden dazu ausgeklügelte Techniken angewendet. Allerdings: Diese Techniken können nicht nur Gesundheitsschäden, sondern – wenngleich sehr selten – auch den Tod verursachen.
    Derartige unter dem Begriff »autoerotische Todesfälle« zusammengefaßten, unfallbedingten Geschehnisse, treten mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf, so daß die Kriminalpolizei im Rahmen ihrer Untersuchungspflichten nach § 159 StPO (unnatürlicher Tod) immer wieder mit ihnen in Berührung kommt.
    Der statistischen Häufigkeit nach handelt es sich zumeist um Todesfälle durch Strangulation, Erstickung und Elektrizität. Sie betreffen überwiegend das männliche Geschlecht und erstrecken sich, in der Regel beginnend mit der Pubertät, über alle Altersgruppen.
    Weniger der möglichen rechtlichen Konsequenzen als vielmehr ihrer phänomenologischen Besonderheiten wegen sind sie für die kriminalistische, insbesondere spurenkundliche, Tätigkeit von Bedeutung, da Auffindungssituation und Spuren allzu leicht fehlinterpretiert werden können. In den meisten Fällen wird zwar eine eindeutige Sachlage vorgefunden, doch muß untersuchungsmethodisch berücksichtigt werden, daß die Auffindungszeugen (Verwandte, Vertraute) oder Beteiligte aus unterschiedlichen Beweggründen (Scham, Leichtfertigkeit, Mitschuld) einen autoerotischen Unfall als Suizid oder sogar als vorsätzliche Tötung verschleiert haben können.
    Im Fall des neunjährigen Michael Teige allerdings spricht die von der Mutter geschilderte Auffindungssituation von Beginn an gegen den Verdacht eines autoerotischen Vorgangs, obwohl, wenn auch höchst selten, selbst in diesem Alter sexuell getönte, unfallbedingte Todesfälle vorkommen können. Jedoch, die Vorgeschichte des Jungen, seine Lage im Bett, Knotenführung der Gurte und die über den Kopf gezogene Bettdecke widersprechen einem solchen Verdacht. Ihn aus dem Besitz von Aktbildern abzuleiten und die kriminalistischen Ermittlungen einseitig darauf festzulegen, ist ein nicht zu verzeihender Untersuchungsfehler, der im beschriebenen Fall empfindliche disziplinarische Konsequenzen nach sich zog.
    Unter der energischen Leitung von Vietzke und Striebl rückt noch vor Mitternacht ein beachtliches Aufgebot an Ermittlern und Kriminaltechnikern in der Saefkow-Straße an, um das Haus der Familie Teige systematisch nach Spuren abzusuchen.
    Mit Erfolg. Trotz der inzwischen erheblich veränderten Situation am Tatort ist die Spurenausbeute beachtlich. So werden an der elterlichen Schlafzimmertür Fingerabdrücke gesichert, die nicht von einem Familienmitglied, sondern vielmehr von einem Fremden stammen. Der angeblich eingetrockente Obstsaftfleck vor dem Schrank wird mit Unterstützung einer optischen Vergrößerung eindeutig als Abdruck eines bestrumpften Fußes identifiziert, den weder Manuela noch ihr Gatte verursacht haben können.
    Tief unter das Ehebett gestopft liegt ein unförmiges, textiles Knäuel, das den Eheleuten Teige unbekannt ist. Es besteht aus verschiedener, reichlich verschmutzter Herrenkleidung: Ein gelbes Oberhemd, eine dunkelblaue Hose der Konfektionsgröße 48, ein Paar abgetretene Sandalen und eine leere Brieftasche. Karsten Teige verneint die Frage, ob die ungewöhnlichen Klamotten womöglich ihm gehören. Folgerichtig überprüft er den Inhalt seines Schrankes. In der Tat, es fehlen eine schwarze Hose, ein hellgrünes Hemd, ein Paar schwarze Schnürschuhe, ein langärmliger, dickwolliger Pullover und eine beigefarbene Winterkutte. Diese Sachen genau zu beschreiben, fällt ihm nicht schwer. Daß ein Fremder sich im Schlafzimmer umgezogen haben muß, liegt nun auf der Hand. Jedoch: Angesichts der hochsommerlichen Temperaturen wurden Pullover und Winterkutte vermutlich deshalb gestohlen, um sie bei nächster Gelegenheit umzurubeln. Und als Manuela Teige zu berichten weiß, aus der Küche sei das rote Kofferradio, ein sowjetisches Fabrikat mit Plastikgehäuse, verschwunden, fühlen sich Vietzke und Striebl in ihrer Annahme bestätigt. Alles in allem verfügen sie damit über wichtige Anhaltspunkte für die Personen- und Sachfahndung.
    An einem zur Terasse führenden Fenster im Parterre werden Textilfasern und Haare gesichert. Den Umständen nach lassen sie darauf schließen, daß jemand durch die Fensteröffnung gekrochen ist. Sie
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