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Blutspuren

Blutspuren

Titel: Blutspuren
Autoren: Hans Girod
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Besichtigung der Leiche des Kindes, bestätigt aber fürs erste die Vermutung, daß ein Strangulationsmechanismus den Tod verursacht haben kann. Ansonsten hält er sich mit weiteren Aussagen zurück. Sie wären ohnehin nur spekulativer Art. Er stellt lediglich in Aussicht, daß die Autopsie womöglich konkretere Ergebnisse liefern könne.
    Bei der Untersuchung der Shorts fischt Kriminalobermeister Niemann einige Bilder aus Michaels Hosentasche, offensichtlich ausgeschnitten aus der beliebten, unterhaltsamen Monatszeitschrift »Magazin«. Dargestellt sind weibliche Akte, brav, in sittsamer Pose, keineswegs anstößig. Die Bilder werden asserviert. Niemann hält sie für wichtige Beweisstücke, geht davon aus, daß der Tod des Jungen mit sexuellen Praktiken in direktem Zusammenhang steht.
    Dann befragt er die Eltern, interessiert sich nicht nur für den Ablauf des heutigen Vormittags und die Situation, wie die Mutter das tote Kind aufgefunden hat, sondern will auch wissen, ob aus der Wohnung etwas fehlt.
    Da Manuela Teige augenscheinlich nichts dergleichen festgestellt hat, meint sie nur: »Alles war wie immer, aber wir müßten nochmals gründlich nachsehen.«
    Niemann erkundigt sich nun nach Michaels sexuellen Ambitionen. Die Eltern sind baff. Derlei Fragen erscheinen ihnen ziemlich abwegig. Doch der Kriminalist zieht in Erwägung, der Tod könne die unfallbedingte Folge einer sexuellen Spielerei gewesen sein. Seine Vermutung stützt sich auf die freilich seltene kriminologische Tatsache, daß dosierte Strangulationen zur Steigerung des sexuellen Lustgewinns durchaus auch bei Kindern vorkommen. Derartige Praktiken enden mitunter in tödlichen Unfällen, wenn nämlich die lebenserhaltende Dosierung unbeabsichtigt überschritten wird.
    Jedoch: Die Eltern protestieren, machen angesichts des Alters ihres Kindes keinen Hehl daraus, die Denkrichtung des Kriminalisten für absurd zu halten. Viel plausibler erscheint ihnen die Möglichkeit, ein ins Haus eingedrungener Einbrecher könne ihren Sohn getötet haben. Doch der Kriminalobermeister entgegnet stur, die in Michaels Hosentasche sichergestellten Aktbilder würden die sexuellen Motive beweisen. Und die Fesselung mit den Bettgurten könne der Junge durchaus selbst bewerkstelligt haben. Überdies hätte ein Einbrecher ausreichend Zeit gehabt, jede Menge Diebesgut davonzutragen. Doch ließe sich nicht nachweisen, daß irgend etwas fehlt.
    »Schauen wir uns sicherheitshalber in Ihrer Wohnung um, vielleicht beruhigt Sie das«, schließt Niemann das Gespräch ab. Das Ehepaar Teige ist einverstanden.
    Niemann begleitet die beiden nach Hause. Im Gästezimmer ist alles noch so, wie Frau Teige es verlassen hatte, als sie Michael ins Krankenhaus zu brachte. Die zerschnittenen Gurte und die Schere liegen also unverändert auf dem Wandklappbett. Der Kriminalist läßt sich zeigen, wie sie ihren Sohn vorgefunden und das Drosselwerkzeug von seinem Hals entfernt hat, prüft die Knoten, sieht sich in der Wohnung um, beäugt den Fußboden und stellt immer die gleiche Frage: »Und, fehlt was?«
    Mit den Nerven am Ende, unkonzentriert und voller Entsetzen, daß ihr Kind nicht mehr am Leben ist, fühlen sich die Eheleute Teige zu einer gewissenhaften Prüfung momentan nicht in der Lage, werfen lediglich hier und da einen Blick in die Räume und Schränke, ohne etwas Verdächtiges festzustellen. Der teure Familienschmuck, den Manuela in einer auffälligen Schatulle auf der Frisierkommode im ehelichen Schlafzimmer ungesichert aufbewahrt, scheint komplett zu sein. Kriminalobermeister Niemann fühlt sich in seiner Version vom sogenannten autoerotischen Unfall bestätigt und schlußfolgert: Da kein Fremder das Haus betreten hat, muß der Junge die Strangulation selbst angelegt haben.
    Als er nach diesen eigenwilligen und oberflächlichen Ermittlungen den traurigen Ort in der Saefkow-Straße verläßt, nehmen sich die leidgeprüften Eltern vor, die nächsten Stunden zu nutzen, um genau zu kontrollieren, ob sie womöglich bestohlen wurden.
    Später, als Niemann in sein Büro zurückgekehrt ist, protokolliert er seine Feststellungen und begründet den autoerotischen Unfalltod des Jungen. Er erfüllt notwendige Informationspflichten und reicht auf diese Weise sein zweifelhaftes Ermittlungsergebnis an die Leitung des VPKA weiter, die, wie in solchen Fällen üblich, eine Sofortmeldung an den Kriminaldienst der BdVP und die Zentrale in Berlin auf den Weg bringt.
    Kurz vor 18.00 Uhr erreicht den
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