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Blutspuren

Blutspuren

Titel: Blutspuren
Autoren: Hans Girod
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könnte dem Einbrecher als Ein- und Ausstieg gedient haben. Zerknirscht muß Manuela Teige einräumen, dieses Fenster während ihrer Abwesenheit nur angelehnt und nicht verschlossen zu haben.
    Mit den ersten Sonnenstrahlen des 11. Juli 1972 wird die Suche im Garten fortgesetzt, erstreckt sich aber auch auf die Nachbargrundstücke. Die Kriminalisten stoßen auf weitere wichtige Spuren: Veränderungen an der mit einer Plane abgedeckten Hollywoodschaukel deuten darauf hin, daß sie benutzt wurde. Ganz in ihrer Nähe, wie weggeworfen, eine geöffnete, geleerte Konservendose mit dem Etikett »Jägerhackbraten«. Nicht weit davon entfernt – frisch zerknülltes Bonbonpapier. Hinter einem Johannisbeerstrauch die übelriechenden Relikte menschlicher Verdauung. Vietzke und Striebl gehen aus alldem folgerichtig von der Version aus, daß der Einbrecher im Schutze der Abdeckplane auf der Hollywoodschaukel längere Zeit verweilt, vermutlich sogar übernachtet hat.
    Nun gilt schnelles Handeln, denn der zeitliche Vorsprung des Täters soll so kurz wie möglich gehalten werden. Deshalb läuft die Fahndung nach dem Unbekannten noch vor Abschluß der Spurensuche bereits auf Hochtouren, beschränkt sich allerdings nur auf den Bezirk Leipzig, weil die Zentrale eine Ausweitung auf alle DDR-Bezirke ablehnt.
    In einem naheliegenden VP-Revier bezieht Unterleutnant Striebl ein Büro, um von dort mit anderen Kriminalisten seiner Kommission die Ermittlungen in der Umgebung der Saefkow-Straße zu forcieren. Denn die Personenbewegung des gestrigen Vormittags soll möglichst lückenlos erfaßt, die Eheleute Teige müssen zeugenschaftlich vernommen und Nachbarn befragt werden, ob ein Langfinger sie heimlich aufgesucht haben könnte. Weiterhin sind polizeiinterne Personenakten, Karteien und andere Datenspeicher zu überprüfen, einschlägige Straftaten nach ihrer Begehungsweise und Spurenlage zu analysieren und ob sie Ähnlichkeiten mit dem fraglichen Fall aufweisen. Von nun an beherrscht nervöser Eifer die Szene, klingeln unaufhörlich die Telefone, rattern die Fernschreiber, klappern die Schreibmaschinen.
    Hauptmann Vietzke erwirkt unterdessen bei der Polizeiführung die Verstärkung seiner Mannschaft. Am späten Vormittag steht eine 45köpfige Einsatzgruppe bereit. Sie wird in verschiedenen Untersuchungsrichtungen tätig: Vorbestrafte, kürzlich aus der Haft Entlassene und kriminell Gefährdete aus dem ganzen Bezirk müssen erfaßt und überprüft werden. 1334 Ermittlungsaufträge werden in den nächsten Stunden an die Männer erteilt. Andere Ermittler schwärmen derweil in jene großstädtischen Gefilde aus, die Gaunern, Tagedieben und anderen dunklen Gestalten als Treffpunkt dienen oder ihnen Unterschlupf bieten. Auch Kneipen, Schwimmbäder, Parkanlagen und vor allem das berüchtigte Gelände am Hauptbahnhof gelten ihrem kriminalistischen Interesse. Zur Mobilisierung der Bevölkerung wird vorsorglich ein Presseaufruf vorbereitet. Er soll, falls die Fahndung bis zum nächsten Tag keinen Erfolg zeigt, am 13. Juli in der »Leipziger Volkszeitung« abgedruckt werden.
    Bereits am Abend des 11. Juli können die Männer um Vietzke einen ersten Erfolg verbuchen. Die Trapo am Hauptbahnhof hat nämlich eine wichtige Meldung zu machen: Ferdinand Konzig (67), Pächter der öffentlichen Toilette im Ostflügel des Hauptbahnhofs, bemühe sich nicht nur um das Reinlichkeitsbedürfnis unbescholtener Reisender. Auch den polizeibekannten Dauertrinkern aus den umliegenden Mitropagaststätten gälte seine Zuwendung. Da die bierseligen Sauf- und Pinkelbrüder in seinem Etablissement so manch unbedachtes Wort fallen lassen, beliefere er die Polizei regelmäßig mit mehr oder weniger brauchbaren Hinweisen. Nun stehe er wieder am Tresen der Bahnhofswache, präsentiere ein rotes Kofferradio und erkläre dazu, gestern in den späten Abendstunden von einem jungen Mann in seiner Toilette aufgesucht worden zu sein. Dieser habe kurzerhand ein rotes Kofferradio auf den Tisch gestellt und folgendes Anliegen vorgebracht:
    »Meister, da draußen ist ein Russe, der will mir ’ne Uhr für 85 Mark verkaufen. Ich habe aber nur 35 Mark bei mir. Leih mir bis morgen 50 Mark. Dafür lasse ich dir das Radio als Pfand hier!« Gesagt, getan. Nach kurzer Überlegung habe er dem jungen Mann 50 Mark gegeben und das Radio sichergestellt.
    Tatsächlich. Es ist das rote Radio sowjetischer Produktion, das die Eheleute Teige zweifellos als das ihre erkennen.
    Nun weiß Hauptmann Vietzke nicht
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