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Blutspuren

Blutspuren

Titel: Blutspuren
Autoren: Hans Girod
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nur, daß der Täter sich am gestrigen Abend immer noch in Leipzig aufgehalten hat, vielmehr liefert Rentner Konzig im Rahmen seiner Zeugenvernehmung am Morgen des 12. Juli eine verhältnismäßig präzise Personenbeschreibung. Der Unbekannte sei von schlanker Gestalt, habe dunkelbraunes Haar mit einer dichten Tolle, die seine Stirn bedeckt. In mühevoller Kleinarbeit entsteht nach seinen Angaben ein sogenanntes Identi-Kit-Bild, das die an alle Polizeidienststellen des Bezirks Leipzig übersandten Fahndungsinformationen ergänzt.
    Die heutzutage in der Kriminalistik unter der Bezeichnung »Phantombild« für Fahndungszwecke verwendeten subjektiven Portraits sind ein wichtiges Hilfmittel zur optischen Darstellung eines Personentyps. Nahezu die Hälfte der nach Zeugenaussagen gefertigten Reproduktionsbilder führt zur Ermittlung oder Festnahme des Verdächtigen.
    In der DDR herrschten verschiedene Technologien der Fertigung von Phantombildern vor: Am gebräuchlichsten waren die nach Zeugenangaben gefertigten Porträtzeichnungen. Ihre kriminalistische Verwendungsfähigkeit wurde aber durch mögliche künstlerische Ambitionen und individuellen Stil des Zeichners stark beeinträchtigt.
    Eine weitere Methode bildeten die sogenannten Schweizer Bildstreifen, wobei in Form einer Fotomontage Streifen von verschiedenen Porträtfotos (Haar-, Stirn-, Augen-, Nasen-, Mund- und Kinnpartie) zu einem neuen Porträt zusammengefügt wurden. Der Nachteil bestand im Mangel an ausreichenden Fotografien (optimal war eine Sammlung von 10000 Portraitfotos), die unter den gleichen fototechnischen Bedingungen angefertigt wurden. Beide Verfahren wurden deshalb lange Zeit kombiniert (Foto-Robot-Bilder).
    In den 60er Jahren wurde in Polen eine weitere Methode entwickelt, die auch in die kriminalistische Praxis der DDR Einzug hielt, das sogenannte Identi-Kit-Verfahren. Es beruht auf der Zusammenfügung der auf Klarsichtfolien aufgedruckten Fragmente des Gesichts, die, übereinander gelegt, ein Porträt entstehen lassen. Da die Folien durch Nummern und Buchstaben gekennzeichnet sind, entsteht eine Codierung, die eine schnelle telefonische Übermittlung des Identi-Kit-Bildes möglich macht.
    In anderen Ländern kamen ähnliche, wenn auch verschiedentlich modifizierte Technologien zur Anwendung (z. B. das »Mc-Donald-Verfahren«, Foto-Fitting).
    Verfahren der elektronischen Bildmischung, wie sie in der Gegenwart angewendet werden, waren zu dieser Zeit noch nicht gebräuchlich.
    Am Morgen des 13. Juli 1972. Der zuständige Staatsanwalt erkundigt sich beim Leiter der Mordkommission nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen und mosert darüber, daß sich die Fahndung allein auf den Bezirk Leipzig beschränkt. Vietzke kann nur durch ein Schulterzucken sein Bedauern ausdrücken: Nicht seine Schuld, Berlin hat nicht mitgespielt. Der Staatsanwalt hält diese Begrenzung für einen groben taktischen Fehler. Ärger kocht in ihm. Dann weist er an, die Fahndungsmaßnahmen nicht nur durch eine für den nächsten Tag vorgesehene, präzisierte Presseinformation zu ergänzen, sondern auf sämtliche Bezirke der DDR auszudehnen. So geschieht es auch.
    Hauptmann Vietzke und seine Männer haben in den nächsten Tagen alle Hände voll zu tun. Denn es heißt Spuren auswerten, Gutachten einholen, Fernschreiben absetzen oder beantworten, Zeugen vernehmen, daktyloskopische Spuren vergleichen, Alibis überprüfen und unendlich viele Protokolle tippen. In den nächsten Tagen werden insgesamt 1345 Personen offen oder konspirativ gecheckt. Derlei Massenüberprüfungen sind ein in der Phase des unbekannten Täters immer wiederkehrender, nervenaufreibender Routinevorgang, der vor allem dann ermüdet, wenn noch kein Lichtstrahl am Ende des Tunnels der Ermittlungen zu sehen ist.
    Unterleutnant Striebl bemüht sich unterdessen, die Fährte des Unbekannten aufzunehmen, in dem er die aktuellen Einsteigediebstähle in Leipzig und den angrenzenden Bezirken erfaßt und vergleicht. Bislang ist es zwar noch nicht gelungen, den Mann über die gesicherten Fingerspuren namhaft zu machen, doch die Konturen seiner Begehungsweise treten immer schärfer hervor: Er stiehlt nur das, was er bald verzehren kann oder was sich unauffällig vermarkten läßt. An jedem neuen Tatort wechselt er seine Kleidung, läßt die abgelegte zurück und hinterläßt nur wenige Fingerspuren. Er übernachtet im Freien, in Gärten oder Schuppen, und meidet näheren Kontakt zu anderen.
    Offensichtlich ist er ein
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