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Blutspuren

Blutspuren

Titel: Blutspuren
Autoren: Hans Girod
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lichtscheuer Einzelgänger. Der durch ihn angerichtete materielle Schaden ist zwar verhältnismäßig gering, doch bricht er regelmäßig täglich mindestens einmal in ein Einfamilienhaus ein.
    Der bloße Vergleich markanter Merkmale seiner verbrecherischen Arbeitsweise erlaubt tatsächlich, seinen Weg zu verfolgen. Noch ist er der Polizei immer ein Stück voraus. Aber: Weitere Zeugenaussagen und Spurenauswertungen fördern die Präzisierung seiner Personenbeschreibung. Da Striebl damit rechnet, daß sich der unbekannte Täter seit dem 12. Juli in Halle und Umgebung aufhält, können auch die dortigen Fahndungsmaßnahmen intensiviert werden. Mit Handzetteln und Lautsprecherwagen ruft die VP die Bevölkerung zu besonderer Wachsamkeit auf.
    Ein Zufall führt zur entscheidenden Wende: Am 23. Juli 1972 beobachtet ein Handwerker vom Dach eines Einfamilienhauses in einer noblen Vorortsiedlung von Halle, wie sich ein junger Mann in verdächtiger Weise an Türen und Fenstern einer gegenüberliegenden Villa zu schaffen macht, deren Bewohner offenbar ihrem Tagewerk nachgehen. Könnte das der unbekannte Bösewicht sein, der seit Tagen in aller Munde ist? Der Mann alarmiert die VP. Man verspricht, zu kommen. Kurz darauf schleicht ein Funkwagen heran. Und weil der Unbekannte immer noch im Villengelände umherstreift und keine überzeugenden Gründe vorbringen kann, was er auf fremden Grundstücken zu suchen hat, wird er von den Uniformierten kontrolliert. Der junge Mann, eine schlaksige Erscheinung, mit dichtem, dunkelbraunem Haar und einer in die Stirn fallenden auffälligen Tolle, fingert widerstandslos aus der Hosentasche einen abgegriffenen, schmuddeligen Personalausweis auf den Namen Hermann Vašik, Jahrgang 1941, wohnhaft in Pößneck, Lutschgen 14. Er meint unverblümt, die Polizei in Pößneck würde ihn bereits suchen. Im Grunde genommen sei er dankbar für die jetzige Festnahme, weil sie sein bisheriges Zigeunerleben endlich beende. Die Wachtmeister blicken argwöhnisch drein, prüfen das Dokument, requirieren es kurzerhand und fragen bei der Leitzentrale nach, ob ein Mann dieses Namens tatsächlich zur Verhaftung ausgeschrieben sei. Und genauso ist es: Vašik wird wegen diverser Eigentumsstraftaten gesucht. Um dem Arm des Gesetzes zu entgehen, ist er seit dem 15. Mai 1972 flüchtig.
    Kurz darauf schließt sich hinter ihm die schwere Zellentür des Polizeigewahrsams Halle. Von dort will man ihn alsbald nach Pößneck überstellen. Noch sind die Polizisten im Kreisamt ahnungslos, daß seit 13 Tagen auch die Leipziger Mordkommission Hermann Vašik auf den Fersen ist.
    Erst am Morgen des 24. Juli 1972 kommt ein Kriminalist aus der Führungsetage der Bezirksbehörde beim Studium des aktuellen Lageberichts dahinter, daß der im Polizeigewahrsam einsitzende Mann auch wegen Mordes in Fahndung steht.
    Eine Viertelstunde später wird Hauptmann Vietzke über Vašiks Verhaftung unterrichtet. Ein tonnenschwerer Stein fällt ihm vom Herzen. Augenblicklich beordert er Leutnant Striebl nach Halle, um den Delinquenten in Empfang zu nehmen. Der Unterleutnant und zwei weitere Kriminalisten garantieren die Sicherheit der Unternehmung.
    Vašik hockt während der Fahrt in sich zusammengesunken im Fond des Wagens, scheint erschöpft, keineswegs aber niedergeschlagen zu sein. Gleichgültig starrt er durch das Wagenfenster auf die vorüberziehende Landschaft. Striebl, der neben ihm sitzt, sagt kein Wort, interessiert sich aber für das stumme Ausdrucksverhalten des eigentümlichen Mannes mit der dunkelbraunen Tolle in der Stirn. Auch die vielen Tätowierungen an dessen Unterarmen und Handrücken betrachtet er ungeniert. Vašik bemerkt es, mißdeutet aber den Blick des Kriminalisten. Er hebt die Arme etwas an, weist mit einer Kopfbewegung auf die eisernen, silbergrau glänzenden Fesseln an seinen Handgelenken, und grinst: »Das war wirklich nicht nötig!«
    Striebl kontert sarkastisch: »Und mit dem Jungen, war das nötig?«
    Vašik versteht sofort, wendet seinen Blick ab, als wäre ihm die Angelegenheit sehr peinlich, und sagt: »Scheiße war das. Ich hatte Heidenangst.«
    »Jetzt hast du das größte Problem deines Lebens am Hals!« heizt Striebl ihm ein.
    Doch Vašik gibt kraftlos zu verstehen: »Ist egal, irgendwann nehme ich mir sowieso ’n Strick!«
    Unterleutnant Striebl sagt nichts dazu, denkt aber: Hoppla, der Junge ist ja suizidgefährdet. Aber in der Vernehmung wird er sicher keine Schwierigkeiten machen.
    Zurück in Leipzig. Der
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