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Blutspuren

Blutspuren

Titel: Blutspuren
Autoren: Hans Girod
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Kriminalobermeister ein Anruf von Manuela Teige. Ziemlich genervt teilt sie ihm mit, daß aus der Schmuckschatulle im Schlafzimmer doch drei goldene Ringe fehlen würden. In der Aufregung habe sie deren Verlust bisher nicht bemerkt. »Es muß ein Einbrecher hier gewesen sein«, behauptet sie felsenfest. Nun erwarte sie, die Polizei möge die Angelegenheit nicht weiter so lax behandeln wie bisher, anderenfalls würde sie beim Staatsrat eine Eingabe machen. Das sitzt. Niemann ist verunsichert, versucht zwar immer wieder, seine bisherige Position zu verteidigen, sagt aber, um sie von einer offiziellen Beschwerde abzuhalten, eine erneute Ereignisortuntersuchung zu, diesmal unterstützt durch einen Kriminaltechniker.
    So geschieht es auch. Bereits eine halbe Stunde später erscheinen die Männer. Niemann überläßt dem Kriminaltechniker das Feld. Was das Ehepaar Teige allerdings nicht bemerkt: Die Art seiner Spurensuche widerspricht allen taktischen Regeln. Er arbeitet oberflächlich, unsystematisch und voreingenommen. Spuren, die entscheidende Bedeutung haben, übersieht er, es unterlaufen ihm eklatante Irrtümer. So hält er beispielsweise, wie sich erst später herausstellt, den Abdruck eines bestrumpften Fußes auf dem Bodenbelag vor dem elterlichen Schlafzimmerschrank für einen eingetrockneten, unbedeutenden Obstsaftfleck.
    Niemann verteidigt unterdessen hartnäckig seine alte Position und zieht aus dem Fehlen der drei Ringe einen seltsamen logischen Schluß. Nämlich: Michael sei sexuell verklemmt gewesen, und da läge es nahe, die Ringe gegen Match-Box-Autos getauscht zu haben. Auch der Kriminaltechniker unterstützt diese absonderliche Erklärung. Manuela und Karsten Teige sind außer sich, verstehen die Welt nicht mehr, halten letztlich diese beiden Polizisten für die Verkörperung kompletter Inkompetenz.
    Jedoch: Als Kriminalobermeister Niemann und sein eigenwilliger Spurensucher gegen 20.00 Uhr ins VPKA zurückkehren, regt sich ihr Gewissen. Sie debattieren und interpretieren. Reifliche Überlegungen folgen. Dann wollen sie doch nicht mehr ausschließen, daß ein unbekannter Einbrecher den im Bett liegenden Jungen entdeckt und aus Gründen des Selbstschutzes getötet haben kann. Ohne den Diebstahl zu vollenden, muß er dann fluchtartig das Weite gesucht haben. Reumütig bekennen sie ihrem Vorgesetzten, mit dem Fall überfordert gewesen zu sein, der womöglich ein Mord sein könnte. Kurz vor 21.00 Uhr wird der Chef der Kriminalpolizei der BdVP, Oberstleutnant der K Ronneberg, über den mißglückten ersten Angriff im Falle des toten Michael Teige ins Bild gesetzt. Der wiederum veranlaßt auf der Stelle die Übernahme der Sache durch die Mordkommission. Deren Leiter, Hauptmann Vietzke (52), ein bedachter, versierter Mörderfänger, und Unterleutnant Striebl (25), vor wenigen Wochen vom Studium zurückgekehrt und voller Tatendrang, konsultieren kurz darauf den Direktor des gerichtsmedizinischen Instituts in der Johannisstraße, Prof. Dürwald. Da die sterblichen Überreste des Jungen ohnehin für die am nächsten Morgen geplante Autopsie bereitliegen, nimmt der Professor die Leichenschau sofort vor. Dabei entdeckt er am Hals die durch die Bettgurte verursachten Strangmarken. Eine nähere Untersuchung zeigt, daß sie vermutlich postmortal entstanden sind. Viel bedeutsamer ist ein anderer Befund: Es sind Würgemale im Kehlkopfbereich des Kindes. Sie waren am Vormittag, als es ins Krankenhaus eingeliefert wurde, noch nicht zu erkennen, weil sie sich nach der nunmehr etwa zwölfstündigen Liegezeit erst herausgebildet haben. Sie beweisen – Fremdeinwirkung.

    Mangelhafte Tatortarbeit verzögerte die Fahndung nach dem unbekannten Mörder. Hier die durch die kriminalpolizeiliche Einsatzzentrale an die übergeordnete Dienststelle weitergeleitete Sofortmeldung über den angeblichen Verdacht eines autoerotischen Unfalls.
    Dieser Befund bestätigt den dringenden Verdacht des Mordes an dem neunjährigen Michael Teige. Er ist der Startschuß, die Ermittlungsmaschinerie noch zu dieser vorgerückten Stunde mit hohem Tempo in Gang zu setzen.
    Damit ist die fachliche Kompetenz wieder hergestellt. Allerdings: Es ist davon auszugehen, daß polizeiliches Verschulden dem Täter inzwischen einen mehr als zehnstündigen Vorsprung ermöglicht hat.
    Sexuelle Selbstbetätigung ist bekanntlich nicht nur ein entwicklungsbedingtes Durchgangsstadium, sondern mitunter eine lebenslang anhaltende Varietät menschlicher Sexualpraxis. Sie
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