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Blutsbrüder

Blutsbrüder

Titel: Blutsbrüder
Autoren: Ravensburger
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ihnen mit Motorradmaske. Einzelne mit Schlagring, Messer, kurzem Schlagstock. Grinsen, fehlende Vorderzähne. Soweit zu erkennen: ohne Schusswaffen.
    Fern beleuchtet das Flutlicht Böschung und Fußballplatz.
    »Wir kriegen euch alle!«
    Der Chef der Bomberjacke n – »los, Tempo! « – ist groß und breit und schnell.
    Dicht neben ihm mit seltsam dunkler Stimm e – »nee, warte ma l … « – ein schlanker, durchtrainierter, weit kleinerer Begleiter mit Maske, der einen Augenblick zu zögern scheint.
    »Fickt euch!«, murmelt Darius.
    Doch manchmal für was gut, mein Vater, denkt er und zieht die Signalpistole aus der Innentasche seiner Sommerjacke.
    Er öffnet den Mund, um die Ohren beim Knall der Schüsse zu schonen, und schießt die ersten drei Kugeln der Leuchtspurmunition, rot, grün, rot, dicht über die Köpfe der Verfolger hinweg gegen die Decke des gelb und teigig grün gekachelten Treppenschachts. Ein Geräusch wie die Detonation größerer Chinakracher zu Silvester oder nach dem Gewinn eines Fußballspiels.
    Mehrere Maskierte werfen sich zu Boden. Andere ducken sich nur, warten ab. Einige aber ziehen sich die Stufen hinunter zurück.
    »Zurückbleiben!«, ruft der Abfertiger in sein graues Mikrofon, als sei er durch den Krach, das Knallen aus seiner Unentschlossenheit erlöst. Die Fahrgäste sind wie erstarrt, als seien sie urplötzlich in einen Krieg geraten.
    »Ey!«, brüllt Hakan.
    Er zerrt Alina zu sich in den Waggon. »Komm!«
    Darius schießt erneut.
    Er schießt gegen die gelben Kacheln, weil er sieht, wie der Riese sich wieder aufrichtet.
    Dann dreht er sich um, hetzt zum Zug.
    Im Gegensatz zum Bahnsteigangestellten, der wieder und dann noch einmal »Zurückbleiben!« in sein Mikrofon zischt, scheint der Zugführer nach wie vor zu perplex, um die S-Bahn aus dem Bahnhof zu fahren. Oder er hat nicht begriffen, was sich in dem Treppenschacht am Kopf des Bahnsteigs abspielt. Oder er will es nicht begreifen, will hoffen und sich einbilden, alles sei nur ein Traum.
    Vielleicht besser so für ihn, denkt Darius und fühlt sich auf einmal entsetzlich müde. Für einen Moment kommt ihm die Situation unwirklich vor, dann ist die Empfindung vorüber.
    Als er in den ersten Waggon springt und sich die mittlere Tür augenblicklich hinter ihm schließt, fällt er fast über ein Fahrrad. Er klammert sich an einem Mann mit Brille und Aktenkoffer fest, während ihm die Signalpistole aus der Hand rutscht und über den Boden gleitet.
    Die Bahn ruckt an, stoppt, ruckt an. Darius und der Mann mit Brille umfassen einander, versuchen gemeinsam, das Gleichgewicht zu halten. Das Fahrrad lehnt sich leicht zur Seite. Darius registriert die teils ängstlichen, teils schockierten, teils vorwurfsvollen Blicke der Fahrgäste, die feige schweigen. Keiner wagt es, ihm und seinen Freunden einen Vorwurf zu machen, ihnen das Unheil anzulasten, das wie aus heiterem Himmel über sie hereingebrochen ist.
    Was seid ihr erbärmlich, denkt Darius.
    Die Signalpistole schliddert auf die geschlossene Tür dem Einstieg gegenüber zu und wird von einer jungen Frau, die Darius herausfordernd anblickt, mit dem rechten Fuß gestoppt. Die Frau öffnet die Drucklufttür und befördert die Waffe mit dem Fuß auf das Gleis. Schöne blaue Augen hinter einer teuren Ich-bin-so-intellektuell-und-du-ein-Proll-ein-dumpfes-Tier-ein-Nichts-Designerbrille.
    Darius zuckt die Schultern. Er empfindet eine Mischung aus Verlegenheit, Verachtung und Ärger. Schritt um Schritt weicht er im anruckenden S-Bahn-Zug den Gang entlang zurück. Was für eine Ziege, denkt er, was für eine dumme, pazifistische Kuh.
    Am Kopf des Zuges lehnt sich der kantige, kahl geschorene Chef mit seinem ganzen Gewicht gegen die sich schließende vordere Tür des Waggons. Keine vier bis fünf Meter von Darius entfernt hilft er seinem Begleiter mit der seltsam dunklen Stimme, die Darius bekannt vorkommt, in die unvermittelt beschleunigende Bahn.
    »Wer fickt jetzt wen?«, fragt er leise und mustert Darius, der sich bereit macht, dem Schlag oder Tritt des Skinheads im Gang des engen Zuges zu begegnen.
    Während der Riese bedächtig auf Darius zugeht, in dem nun fahrenden Zug, in dem die Handys ohne Netz sind und keiner der Fahrgäste die Notbremse betätigt oder etwas sagt, schiebt der Skinhead den Fahrradfahrer beiseite, schubst einen Afrikaner, der sich hat erheben wollen, zurück auf die plüschgemusterte Bank, streckt einen Finger gegen die Frau mit der Designerbrille aus, bringt sie
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