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Blutsäufer (German Edition)

Blutsäufer (German Edition)

Titel: Blutsäufer (German Edition)
Autoren: Trash Thompson
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sämtliche Spuren auslöschen. Von Mircea selbst blieb nichts auf dieser
Welt. Weder Körper noch Geist. Vor allem sein Geist würde fehlen. Sein Geist
waren die Bande, die die Vampire zusammenhielten. Und nun fielen sie alle in
einen tiefen Abgrund.
    Den Abgrund spürte die Gräfin schon jetzt.
    War die Frau tot? Ihr war immer noch schwarz
vor Augen, all ihre Sinne waren geschwächt. Vielleicht roch sie deshalb den Tod
der Frau nicht. Oder sie roch ihn nicht, konnte ihn nicht riechen, weil die
Frau noch am Leben war. Wie auch immer, sie würde sich in dieser Nacht keine
Gewissheit verschaffen können.
    Als das Blaulicht der Streifenwagen am Ort
des Geschehens aufflackerte, war die Gräfin bereits verschwunden.

Epilog
     
    „Wie
lang sind wir denn bei uns, Herr Scheller?“
    Franz saß auf einem niedrigen Stuhl und vor
einem wuchtigen Schreibtisch. Dahinter thronte Professor Dr. Richard in
nachlässiger Sitzhaltung, die Hände wie zum Beten vor dem Bauch gefaltet. Sein
Blick ging an Franz vorbei und zum Fenster hin. Es war ein schöner Tag, der zum
Spazierengehen einlud.
    „Weiß nicht, drei Wochen?“, riet Franz.
    „Drei Monate sind wir hier“, berichtigte der
Professor, „und …“, er warf einen Blick auf seinen Notizblock, er schien
verwirrt, weil seine Schrift so unleserlich war. Er hielt den Block vor seine
Augen, vor seine Brille. Er schüttelte mit dem Kopf und klatschte den Block auf
die Schreibtischplatte.
    „Es ist Zeit, dass wir in die Welt da draußen
zurückkehren, Herr Scheller. Wir müssen wieder am Leben teilnehmen. Das müssen
wir.“
    Franz nagte an seiner Unterlippe. „Bin ich
denn geheilt?“
    Professor Dr. Richard lächelte. Es war ein
Lächeln voller Nachsicht. Er stand auf und ging, nein, schlenderte zum Fenster
hin. Er öffnete das Fenster und beugte sich weit hinaus. Franz fürchtete, dass
er springen würde, doch der Mann mittleren Alters und mittlerer Statur lehnte
sich schon wieder zurück. Als er weitersprach, wandte er sich nicht um. Er
schien zu der Taube zu sprechen, die auf einem Ast in einem Apfelbaum hockte.
    „Gesundheit und Wohlbefinden sind pure
Illusion, Herr Scheller. Wir alle sind Opfer des Verfalls. Sobald wir
ausgewachsen sind, beginnt der körperliche Verfall, beginnt er unausweichlich
und fürchterlich. Und was unsere Psyche anbelangt …“ Eine zweite Taube flog auf
den Ast. Beide schauten scheinbar interessiert auf den dozierenden Professor. „Unsere
Psyche ist Schwankungen unterlegen, bösen, bösen Schwankungen. Sie wird von
Stimmungen beeinflusst, von Hochs und Tiefs und von seltsamen Vorstellungen,
die wir von der Welt und vom Leben haben. Unsere Psyche ist nie ganz gesund –
und was nie ganz gesund ist, ist auch nicht heilbar.“
    Franz überlegte, was es für ihn bedeutete,
wieder in die Welt entlassen zu werden. Er hatte in diesem Irrenhaus (er nannte
es Irrenhaus, obwohl sie es Klinik nannten) alles, was er brauchte: ein
eigenes kleines Zimmer, Kontakt zu anderen Menschen, wenn er es wünschte (er
wünschte es fast nie) und seine kostenlosen vier Mahlzeiten am Tag. Im Grunde fehlte
es ihm an nichts. Und was er nicht brauchte – Arbeit, zum Beispiel – blieb ihm
hier erspart. Die Gruppentherapie war ihm zwar zuwider, denn er kehrte sein
Inneres ungern vor einer Gruppe nach außen, aber an die Einzelsitzungen mit dem
Professor hatte er sich gewöhnt. Der Professor ließ ihn gemeinhin einfach reden
und starrte an ihm vorbei, während er murmelnd über sein Leben redete, über
Vampire und Monster, über die Vorzüge des Nacktschlafens (seit seiner Zeit im
Haus der Gräfin schlief er mit Vorliebe nackt) und darüber, dass in
Buchhaltungen nur Verrückte sitzen und arbeiten würden.
    „Glauben wir denn noch an Vampire, Herr Scheller?“
    Die Antwort, die der Professor hören wollte,
war ein klares Nein, das wusste er. Es war ihm immer und immer wieder erklärt
worden, dass es zwar böse Menschen gäbe, die sich wie Vampire aufführten, doch
das richtige Vampire bloß in seiner Fantasie existierten. Er solle sich nun den
Menschen öffnen, wenn er wieder Teil der Gemeinschaft geworden sei. Er solle
sich mit Menschen austauschen, sich guten Freunden anvertrauen. Er habe doch
bestimmt einen guten Freund?
    Franz überlegte angestrengt, schließlich
waren nun zwei Fragen zu beantworten; der Professor wartete stumm am Fenster.
    Franz hatte mit Freundschaften schlechte
Erfahrungen gemacht. Freunde waren seiner Meinung nach Parasiten. Egoisten, die
Zeit
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