Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutrote Schwestern

Blutrote Schwestern

Titel: Blutrote Schwestern
Autoren: Jackson Pearce
Vom Netzwerk:
nicht Manns genug bist.«
    Er kneift die Augen zusammen, aber an den Winkeln seiner dünnen Lippen blitzt ein Lächeln. Dann wenden wir uns gemeinsam dem Fenris zu, der nun die Schultern senkt, die Augen auf mich gerichtet, wild. Der Junge zieht zwei Messer aus seinem Gürtel, während ich das Beil in meiner Hand umdrehe.
    »Er wird dich zuerst angreifen«, sagt der Junge.
    »Ich weiß«, antworte ich. »Du gehst auf seine …«
    Er grinst. »Werde ich.«
    Ich schüttele den Kopf. Nichts hat sich geändert. Wir brauchen keine Worte, nicht wenn wir gemeinsam jagen.
    Der Wolf stürmt los, gerade als wir die ersten Laufschritte auf ihn zu machen. Der Junge erreicht ihn zuerst, springt hoch über den Rücken des Fenris und versenkt beide Messer in dessen Seiten. Das sollte zwar reichen, aber ich will ihm den Erfolg nicht überlassen. Rutschend komme ich zum Stehen und lasse mein Beil in Richtung des Fenris fliegen. Es wirbelt durch die Luft, ehe es mit einem malmenden Klatschen in seiner Brust versinkt.
    Der Fenris bricht zusammen, und seine Augen glänzen, als ich auf ihn zugehe – Hunger und Hass. Ein- oder zweimal schnappt er vergeblich nach meinen Beinen. Nichts Menschliches ist mehr an ihm, nichts Hündisches – nur eine sterbende Kreatur, bestialisch und widerwärtig gleichermaßen. Sein verfaulender Geruch nach Müll und verdorbener Milch raubt mir den Atem. Wie viele von ihnen ich schon gejagt habe? Ich weiß es nicht mehr, aber ihr Geruch nimmt mich jedes Mal wieder mit.
    »Wann bist du zurückgekommen? Und wo ist deine Axt?«, frage ich den Jungen, ohne den Blick vom Fenris abzuwenden. Am besten wartet man, bis man ganz sicher weiß, dass sie tot sind.
    »Ungefähr vor einer Stunde. Ich hatte nicht damit gerechnet, direkt auf die Jagd zu gehen – daher keine Axt. War doch klar, dass ich dich hier draußen suchen würde, bevor ich nach Hause zurückgehe. Man braucht ein paar Hobbys, weißt du?«
    Ich schüttele den Kopf zu den letzten, rasselnden Atemzügen des Fenris. Die Zunge hängt ihm aus dem Mund, und dann – mit einem letzten Knurren – stirbt er. Sein lebloser Körper zerplatzt in Dunkelheit, Schatten spritzen über Wände, in Autos, zwischen Grashalme, ergießen sich wie kohlenfarbenes Feuerwerk über die Welt. Ich mustere den Jungen.
    »Schön, dich zu sehen, Silas.«
    Er grinst, schüttelt das Fenrisblut von seinen Messern, ehe er sie in die Scheiden steckt. »Freu mich auch, dich zu sehen, Lett.«
    »Schön, wieder einen
echten
Jäger in Aktion zu erleben, meinst du wohl«, stichele ich.
    Er kommt auf mich zu und nimmt mich in den Arm. Sofort verkrampfe ich mich. – Ich mag es, umarmt zu werden, aber es passiert nicht allzu oft. Vermutlich hält etwas an einem Mädchen, dem ein Auge fehlt, die Leute davon ab, sie zu berühren. Silas kannte mich schon vorher. Schließlich entspanne ich mich und lege die Arme um ihn.
    Silas gibt mich wieder frei, inspiziert die Blutflecken auf seiner Jeans und brummt: »Es gibt einige Dinge an der Jagd, die ich nicht vermisst habe.« Dann deutet er auf die Wunde an meiner Hüfte. »So nebenbei, bist du in Ordnung?«
    Ich winke ab. »Das ist nichts. Willst du damit etwa sagen, dass du die ganze Zeit, die du in San Francisco warst, nicht gejagt hast?« Ich streife mein Beil am Saum meines Mantels ab. Das Fenrisblut ist auf dem blutroten Stoff kaum zu sehen.
    »Vergib mir, dass ich versucht habe, Zeit mit meinem Onkel zu verbringen!«
    »Ja, ja«, seufze ich. Es ist schwer zu verstehen, wie er es aushält, so lange Zeit nicht zu jagen, aber dieses Thema war schon immer ein verlorenes Gefecht für mich. »Also, wie geht es Onkel Jakob?«
    Silas zuckte mit den Schultern. »Ganz gut. Zumindest für einen 40 Jahre alten Mann, der faktisch ein Einsiedler ist.«
    »Das ist allerdings nicht sein Fehler«, sage ich, als wir durch die Gasse zurückschlendern. »Regen sich deine Brüder und Schwestern immer noch darüber auf, dass dein Vater Jakob das gesamte Geld aus dem Erbe zugesprochen hat?«
    »Klar«, murmelt er. »Noch wütender sind sie allerdings darüber, dass er mir das Haus hier gegeben hat.« Statt eine Lehre als Förster anzutreten, hat Silas die Highschool abgeschlossen. Seine Brüder fanden das ziemlich unehrenhaft, das Drillingsgespann der Schwestern unmännlich. Kombiniert man das mit der Tatsache, dass Pa Reynolds ihm und Onkel Jakob seine gesamte weltliche Habe vermachte, ehe er senil wurde … kann man ihren Groll schon verstehen.
    »Tut mir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher