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Blutrot

Titel: Blutrot
Autoren: Jack Ketchum
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Bursche sein kannst.
    Sie blieb noch drei Tage bei ihm im Haus, bis sie überzeugt war, dass Ludlow trotz der Klammern und Metallstäbe, die eine seiner Rippen zusammenhielten, sich wieder selbst versorgen konnte. Er hatte sie gedrängt, zu ihrem Mann zurückzukehren. Er spürte, dass sie gerne abreiste, ihn aber nur widerwillig allein ließ. Mit dem Mietwagen, den er fuhr, bis der Pick-up ersetzt worden war, brachte er Allie zum Flughafen. Am Flugsteig umarmten sie sich. Ludlow dachte, dass ihr Haar denselben Duft verströmte wie das von Mary.
    Am Abend rief er im Krankenhaus an und erkundigte sich nach Danny McCormacks Befinden. Die diensthabende Krankenschwester teilte ihm mit, der
Junge schwebe nicht mehr in Lebensgefahr. Sam Berry hatte ihm Bescheid gesagt, dass man Danny wegen versuchten Mordes und Angriffs mit einer Schusswaffe anklagen würde. Sam meinte, er - Ludlow - würde gegen den Jungen aussagen müssen.
    Ludlow hatte nichts dagegen einzuwenden.
    Dannys Mutter hingegen tat ihm aufrichtig leid. Die Frau hatte alles verloren. Er kannte ihre Geschichte nicht, wusste nicht, wie es zu alledem gekommen war, aber er bezweifelte, dass sie irgendeine Schuld traf. Einmal davon abgesehen, dass sie den falschen Mann geheiratet hatte. Sie hatte einen Sohn großgezogen, aus dem vermutlich ein anständiger Mensch geworden wäre.
    Sie hatte ihm geholfen. Ihm wahrscheinlich das Leben gerettet.
    Und sie hatte Red zugedeckt.
    Er hoffte, dass das Dienstmädchen mit der verkrüppelten Hand bei ihr bleiben würde.
    In den nächsten Wochen hatte er alle Hände voll damit zu tun, sich einen neuen Pick-up zu kaufen, mit der Baufirma die Einzelheiten für den Wiederaufbau seines Ladens zu klären und mit seinen Zulieferern neue Verträge abzuschließen. Diesmal würden er und Bill Prine den Laden als gleichberechtigte Geschäftspartner führen. Denn nach allem, was die Ärzte Ludlow eröffnet hatten, brauchte er künftig einen jüngeren Mann als Teilhaber. Außerdem hatte Bill es verdient. Es galt also, mit Anwälten zu reden,
die Papiere durchzusehen und das Ganze schriftlich zu fixieren. Dreimal in der Woche musste er wegen seiner gebrochenen Rippe zur Behandlung.
    An einem kühlen Abend in der ersten Septemberwoche hörte er gleich nach dem Essen ein Klopfen an der Haustür. Als er öffnete, stand Carrie Donnel in verblichenen Jeans und einem engen grünen Pullover vor ihm, in jeder Hand eine Flasche Moët Chandon.
    »Miss Donnel«, sagte er lächelnd.
    Sie lächelte. »Schon vergessen? Ich heiße Carrie.«
    »Komm doch rein.«
    »Danke.«
    Sie ging an ihm vorbei, als sei sie hier zu Hause, so wie sie es immer getan hatte, stellte eine Flasche auf den Tisch und die andere in den Kühlschrank.
    »Du siehst gut aus«, sagte sie.
    »Du auch.«
    »Wie hat dir der Fernsehbericht über dich gefallen?«
    »Der Bericht? Carrie, das war vor mehr als einem Monat. Ich dachte schon, du würdest mich nie danach fragen.«
    »Tut mir leid. Bei uns war die Hölle los. Sie haben Personal abgebaut. Ich wusste nicht mal, ob du es überhaupt gesehen hast. Du warst ja noch im Krankenhaus. Ich hatte keine Ahnung, ob du in der Lage warst, fernzusehen.«
    Sie zog einen Stuhl heran und setzte sich an den Küchentisch.

    »Wie ich hörte, war deine Tochter hier.«
    »Ich wurde sie gar nicht mehr los.«
    »Schön. Das ist schön, Av.«
    Er nahm ihr gegenüber Platz.
    »Aber du hast es doch gesehen, oder?«
    Er nickte.
    »Und? Wie fandest du’s?«
    »Du warst gut. Du warst fair. Du hast mich nicht als Helden dargestellt. Ich weiß nicht, ob ich mich überhaupt noch aus dem Haus getraut hätte, wenn du das getan hättest. Aber du hast mich auch nicht als Wahnsinnigen dargestellt. Nein, du hast gute Arbeit geleistet, Carrie. So, wie ich es von dir erwartet habe. Wirst du über den Prozess des Jungen berichten?«
    Als sie ihn ansah, lag Bedauern in ihrem Blick. Da ahnte er, was kommen würde.
    »Ich habe einen neuen Job unten in der Großstadt, Av. Einen richtig guten. Bei einem großen Sender.«
    »In New York? Ich dachte, du magst die Stadt nicht.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Boston.«
    »Wann?«
    »Ab nächstem Monat. Samstag in einer Woche fahre ich runter. Ich muss noch eine Wohnung finden und mich einrichten.«
    Er verstand, was sie sagen wollte. Davor würde sie in Portland eine Menge zu erledigen haben.
    Es war das letzte Mal, dass sie über seine Türschwelle getreten war.

    Als sei sie hier zu Hause.
    »Na, dann mach endlich den Sekt
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