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Blutnebel

Blutnebel

Titel: Blutnebel
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waren. Dann warf sie dem Mann neben ihr einen Blick zu. »Also, wenn man den ganzen Unsinn mal beiseitelässt, dann scheint mir deine lokale Legende stärker auf Fakten zu beruhen, als du zugeben willst.«
    Rollins brachte den Jeep ein paar Hundert Meter vor der ersten Baumgruppe zum Stehen. »Mach darüber bloß keine Witze. Mein Büro vergeudet sowieso schon viel zu viel Zeit mit hysterischen Einheimischen, die sich allzu sehr von abergläubischem Stuss beeindrucken lassen. In Wahrheit geht es hier ziemlich ruhig zu. Die Straftaten, die bei uns vorkommen, beschränken sich meist auf Trunkenheitsdelikte und Ordnungswidrigkeiten nach dem Zahltag des Sägewerks und gelegentliche Handgreiflichkeiten im privaten Bereich. Ab und zu müssen wir bei einem Brand oder einem schweren Unfall eingreifen. Aber Gewaltverbrechen sind uns hier fremd. Und wenn es mal eines gibt, verstehen es die Menschen nicht. Sie bekommen Angst, und wenn die Leute Angst bekommen, suchen sie nach einem Sinn. Diese Legende ist einfach ihre Art, damit fertigzuwerden, dass auch bei ihnen um die Ecke etwas Schlimmes passieren kann.«
    Ramsey stieg aus und streckte sich, während sie es so lange wie möglich vermied, einen Blick auf den Wald vor ihr werfen zu müssen. »Das klingt ja schon richtig philosophisch, Mark. Das hast du aber nicht in den Psychologie-Seminaren beim TBI gelernt.«
    Er beugte sich noch einmal in den Jeep und griff nach dem Gewehr, das in einem Gestell über der Windschutzscheibe befestigt war, ehe er sich aufrichtete und die Tür schloss. Die Andeutung eines Lächelns geisterte über seine Lippen. »Da hast du recht. Ich verstehe die Menschen hier. Hab ja selbst den größten Teil meines Lebens hier verbracht. Ich weiß, wie sie ticken. Wie sie reagieren. Auch wenn ich nicht immer mit ihnen einer Meinung bin. Aber meistens begreife ich, was sie für Beweggründe haben.«
    Sowie sie sich dem Wald näherten, bekam Ramsey feuchte Hände und Herzklopfen, eine körperliche Reaktion, die sie ärgerte. Es waren schließlich nur Bäume, Herrgott noch mal. Nichts als eine Masse Kohlendioxid. Und sie hatte diese lächerliche Angst doch schon vor Jahren überwunden, oder?
    Bewusst ging sie schneller. »Willst du noch ein bisschen jagen, wo wir schon mal hier sind?«, fragte sie mit einem Nicken zu der Flinte in seiner Hand.
    »Ich bin kein großer Jäger. Aber wir haben tatsächlich einiges an Wild. Es war ganz schön leichtsinnig von diesen Jugendlichen, nachts hierherzukommen. Hier gibt’s nämlich Wildschweine. Und den einen oder anderen Rotluchs. Außerdem hab ich zu meiner Zeit genug Mokassinschlangen gesehen, um auf der Hut zu sein.«
    Obwohl ihr angesichts seiner Worte die Knie weich wurden, zwang sie sich, ruhig weiterzugehen. Die ersten kühlen Schatten der hohen Bäume glitten wie der Kuss eines Dämons über ihre Haut.
    »Ich wünschte, ich könnte dir einen makellosen Tatort präsentieren«, sagte Mark, der neben ihr ging. »Aber offenbar haben die Kids untereinander eine Wette abgeschlossen, in den Wald zu gehen und einen Beweis dafür zu holen, dass sie wirklich dort gewesen sind. Die ersten, die wieder zurück im Ort waren, durften dann prahlen und sich aufplustern, nehme ich an. Also haben sie sich in Paare aufgeteilt und sind in diese Richtung losmarschiert. Kurz nachdem zwei von ihnen das Opfer gefunden hatten, sind noch ein paar andere aufgetaucht. Dann sind sie alle hemmungslos herumgetrampelt, und deshalb ist jetzt alles voller Spuren und Fußabdrücke.«
    Ramsey verspürte die altbekannte Ungeduld. Niemand hatte gern kontaminierte Tatorte, doch einer der wenigen Nachteile ihres Jobs bei Raiker Forensics war, dass sie kaum je zu einem frischen Tatort gerufen wurde. Wenn ihre Dienste verlangt wurden, konnte die Tat bereits Tage oder Wochen alt sein. Sie musste sich mit Fallakten, Fotos vom Tatort und den Aufzeichnungen der Polizei vor Ort zufriedengeben.
    »Wenn ich Jeffries recht verstanden habe, habt ihr mehr als genug unerwünschtes Medieninteresse bekommen.« Sie befanden sich nun schon tief im Wald, und die Bäume schienen enger zusammenzurücken und sie in ihr finsteres Dickicht zu saugen. Sie widerstand dem Drang, sich die feuchten Hände an den Hosenbeinen abzuwischen. »Irgendwie seltsam, dass sich die überregionalen Nachrichtenmedien für einen Mord im ländlichen Tennessee interessieren.«
    »Ich vermute, irgendein verrückter Einheimischer hat ihnen den Tipp gegeben. Es ist wieder die Legende.« Marks
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