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Blutnebel

Blutnebel

Titel: Blutnebel
Autoren: authors_sort
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seiner Kindheit nicht mehr, und noch nie nachts. »Ich kenn die Gegend wie meine Westentasche«, erklärte er mit gespielter Tapferkeit. »Wir sind zurück bei Sody’s, ehe die anderen überhaupt hier angekommen sind.« Er fragte sich jetzt schon, wie viele der anderen Paare es bis hierher schaffen würden. Vorn bei Sody’s war es leicht, große Reden zu schwingen. Aber drüben im Ort über den lokalen Aberglauben zu lachen war etwas ganz anderes, als kurz vor Mitternacht mitten im finsteren Wald zu stehen.
    Er schluckte und hätte gern ein wenig Wasser gehabt. Die Nachtluft war dick und schwer, als blocke das dichte Laubdach Sauerstoff genauso ab wie Licht.
    Sie kamen nur langsam voran, da er andauernd die dornigen Zweige aus dem Weg biegen musste, damit Becky durchgehen konnte. Außerdem war der Pfad ganz schön zugewachsen, seit er letztes Mal hier gewesen war. Wann – vor drei Jahren? Er hoffte, dass sie auf dieser Route trotzdem bis zum Ashton’s Pond kämen. Becky würde ihm nie verzeihen, wenn sie ohne das Büschel Schilf umkehren müssten, das vor den anderen ihre Tapferkeit beweisen sollte.
    »Oh Mann, hier ist es ja echt unheimlich.« Beckys Kichern klang ein bisschen bemüht. »Wie weit ist es denn noch zum Teich, was meinst du?«
    »Es ist nicht mehr weit«, log er, obwohl er in Wirklichkeit keine Ahnung hatte. Er stolperte und wäre beinahe hingefallen, ehe er eine Hand hob, um Becky zum Anhalten zu bewegen, während er den Lichtstrahl über den Boden vor sich wandern ließ. »Pass auf den Baumstamm hier auf. Mich hätt’s fast auf den Hintern gehauen.«
    Doch als er ihr darüberzuhelfen versuchte, blieb Becky stocksteif stehen. »Was … was ist das?«
    Diese düsteren Schatten konnten doch nur Bäume sein, oder? Bäume, Büsche und zugewachsenes Unterholz. Er leuchtete mit der Taschenlampe herum, doch er sah nichts als ein gelbes Augenpaar, das ihn von einem tief hängenden Ast herunter anstarrte.
    Erleichtert atmete er auf. »Das? Das ist nur eine Eule, Becky. Die tut dir nichts.«
    »Nicht das, du Dussel. Das!« Sie gestikulierte heftig, während ihre Stimme schriller wurde. »Wo kommt denn dieser Nebel her?«
    Da sah er es – kleine Dampfwölkchen, die vom Boden aufstiegen, sich um Baumstämme schmiegten und durch Büsche wanden. Ein eisiger Hauch berührte ihn. Dass dies kein gewöhnlicher Nebel war, stand eindeutig fest. Das war der rote Nebel. Der Stoff für lokale Legenden.
    Einen entsetzlichen Moment lang fürchtete Robbie Joe, sich auf der Stelle nass zu machen. Er schaffte es nicht einmal mehr, dankbar dafür zu sein, dass sich Becky in seine Arme warf, und registrierte kaum, dass sich dadurch ihre Brüste an seinen Oberkörper drückten. Er konnte sich nur noch auf den Nebel konzentrieren – den roten Nebel –, der sich um seine Beine wand und dabei ständig dichter zu werden schien.
    »Verdammt«, flüsterte er, während er vor Panik nicht mehr klar denken konnte. Seine Muskeln verkrampften sich, während er kurz davor war, loszulaufen und in einem Höllentempo davonzurennen, Wette hin oder her. Doch dann sah er die Lichter. Kleine, tanzende Lichtkugeln, die überall um sie herum blinkten, in die Höhe hüpften und dann durch die Finsternis sprangen. Robbies Muskeln wurden ganz schlaff vor Erleichterung. »Verdammt«, wiederholte er, diesmal lauter, und sandte zur Bekräftigung noch ein Lachen hinterher. »Wenn ihr nichts Aufregenderes zustande bringt, Leute, dann müsst ihr im Chemieunterricht besser aufpassen. Mr Stokowski wäre schwer enttäuscht, wenn er wüsste, dass euch nichts Anspruchsvolleres eingefallen ist.«
    »Was?«, zischte Becky, während sie ihm die Finger in die Seiten grub. »Was ist denn los?«
    Mit seinem freien Arm führte er das Mädchen erneut in Richtung Teich und sprach dabei so laut, dass es die Jungen, die sich irgendwo in der Nähe versteckt haben mussten, hören konnten. »Das sind nur ein paar dieser Blödmänner, die glauben, sie könnten uns mit ein bisschen stümperhaft gefärbtem Rauch und abgedeckten Taschenlampen erschrecken.« Zumindest nahm er an, dass sie es so gemacht hatten. Chemie oder vielmehr Schule im Allgemeinen war nicht seine Stärke. »Komm schon, wir müssen uns beeilen.«
    Er hielt sich dicht bei Becky, während sie neben ihm herstolperte und ihn mit Fragen bombardierte. »Woher willst du wissen, dass sie es sind? Woher willst du wissen, dass es nicht …?«
    »Weil es diesen besagten roten Nebel gar nicht gibt«, erwiderte er
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