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Blutnebel

Blutnebel

Titel: Blutnebel
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Gesicht glänzte vor Schweiß, doch Ramsey fror. Und sie würde weiter frieren, bis sie wieder ans Tageslicht kamen. »Alle zwanzig oder dreißig Jahre tritt das Phänomen dieses roten Nebels auf, und ein paarmal hat es in der Vergangenheit ungefähr zum gleichen Zeitpunkt einen unnatürlichen Todesfall gegeben. Die beiden Vorkommnisse werden verknüpft, und schon schwatzen die Leute über mysteriöse Verwünschungen und jahrhundertealte Flüche und weiß der Henker was.«
    Ramsey gab ein unartikuliertes Knurren von sich, während sie einen Teil ihrer Aufmerksamkeit weiterhin dafür reservierte, nach den Mokassinschlangen Ausschau zu halten, die er so beiläufig erwähnt hatte. Doch trotz ihrer Abneigung gegenüber banalem Gerede war sie an sämtlichen Einzelheiten interessiert, die sich nicht in der Fallakte finden würden. Beweise waren Mangelware. Menschen würden diesen Fall aufklären. Menschen, die etwas gesehen hatten. Etwas wussten. Das winzigste Stückchen Information konnte sich letztlich als der Schlüssel erweisen, der zur Aufklärung des Mordes führte. Und ohne Mordwaffe, ohne Verdächtige und mit kaum vorhandenen Spuren musste sie auf jede Information achten, die sie kriegen konnte.
    »Hast du jeden dieser Jugendlichen als möglichen Täter ausgeschlossen?«
    »Mann, Ramsey, die sind doch alle erst sechzehn, siebzehn Jahre alt!«
    Als sie ihn nur mit hochgezogenen Brauen musterte, blickte er immerhin verlegen zur Seite.
    »Ja, ich weiß, was du im Lauf deiner Karriere schon alles gesehen hast. Hab ich auch. Aber hier bei uns gibt es keine Jugendlichen mit dem Gewissen von Raubtieren. Sie geben sich alle gegenseitig Alibis bis eine halbe Stunde vor der Entdeckung der Leiche. Zeugen haben die Gruppe etwa zur gleichen Zeit auf Sody’s Parkplatz gesehen. Ziemlich unwahrscheinlich, dass eines der Paare in den Wald geflitzt ist, einen Mord begangen und dann die Leiche hat liegen lassen, obwohl sie wussten, dass jede Minute andere junge Leute kommen würden.«
    Unwahrscheinlich, ja. Unmöglich, nein. Doch Ramsey behielt ihre Gedanken für sich. Sie war gespannt, was die TBI-Beamten Powell und Matthews zu dem Thema zu sagen wussten.
    Rechts von ihr raschelte es im Unterholz, doch davon schoss ihr Blutdruck nicht in die Höhe. Nein, dazu genügten schon die Bäume an sich, die wie düstere Wachen über ihr aufragten und sie mit ihrer beklemmenden Nähe bedrängten. Sie rieb sich die mit Gänsehaut überzogenen Arme und versetzte der mentalen Tür in ihrem Kopf einen Stoß, um die Erinnerungen auszusperren.
    Manche hätten die Szenerie reizvoll gefunden, da die Sonne helle Flecken auf den Waldboden streute und strahlende Lichtsplitter durchs Dunkel sandte. Andere würden beim Anblick der Umgebung nicht hinter jedem Baumstamm die Gefahr lauern sehen. Sie würden sich nicht vom Grauen verfolgt fühlen und neuen Schrecken wittern.
    Der Weg wurde schmaler und zwang sie, hinter Rollins herzutrotten. »Wem gehört eigentlich das Gelände hier?«
    »Das meiste davon dem County. Ein paar kleine Parzellen grenzen an Land von privaten Eignern, aber momentan stehen wir auf öffentlichem Grund.« Schweigend gingen sie etwa eine Viertelstunde lang weiter, und Ramsey fragte sich erneut, wie Jugendliche so blöd sein konnten, diese Wanderung bei Nacht zu unternehmen.
    Sechzehn oder siebzehn waren sie, hatte Mark gesagt. Sie wusste ja aus eigener Erfahrung, wie naiv Kids in diesem Alter sein konnten. Wie leicht sie sich täuschen ließen. Und wie schnell daraus blutiger Ernst werden konnte.
    Im einen Augenblick waren sie noch tief im Wald. Im nächsten traten sie auf eine Lichtung mit einem großen Teich hinaus, umgeben von hohen Kiefern und mächtigen Eichen, deren Zweige von Spanischem Moos und wuchernden Ranken bewachsen waren. Das Land schien auf drei Seiten felsig zu sein, doch am Ufer vor ihnen war es sumpfig, und zwischen den letzten Bäumen wuchsen an mehreren Stellen Schilf und Wildgras.
    Ramseys Blick wanderte unverzüglich zur Tatortabsperrung, die nach wie vor zwischen den in die Erde gerammten Holzpflöcken flatterte. Eine Spurenmarkierung aus Plastik, die die Ermittler offenbar beim Zusammenpacken vergessen hatten, sah halb aus den niedergetrampelten Halmen in Ufernähe hervor.
    Und mitten auf diesem abgetrennten Areal hockte ein Mann direkt vor dem Teich, tunkte immer wieder etwas ins Wasser und hielt es in die Höhe, um es zu mustern, ehe er das Prozedere wiederholte. Ein paar Meter neben ihm lagen mehrere
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