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Blutmusik

Blutmusik

Titel: Blutmusik
Autoren: Greg Bear
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dagegen zu
protestieren; die Kräfte, die hier am Werk waren, blieben
für die meisten unergründlich.
    Die Mehrzahl der Wohn- und Geschäftshäuser blieb einfach
kalt. Gleichwohl ging die Zahl der Kranken weiter zurück, eine
Entwicklung, die bereits das ganze Jahr über beobachtet worden
war.
    Es gab keine Grippewellen und Ausbrüche von
Infektionskrankheiten. Niemand konnte einen Grund dafür
angeben.
    Weinkellereien, Brauereien und Destillerien befanden sich in einer
schwierigen Situation. Bäckereien sahen sich zu radikalen
Produktionsumstellungen gezwungen; die meisten gingen auf die
Herstellung von ungesäuerten Broten und Teigwaren über.
Mikroskopische Organismen hatten sich überall auf der Welt mit
dem Klima verändert und waren so unzuverlässig geworden wie
Maschinerien und Elektrizität.
    In Osteuropa und Asien gab es Hungersnöte, die Vorstellungen
von einem Gottesgericht bestätigten oder Nahrung gaben. Die
reichsten Kornkammern der Erde existierten nicht mehr; das
Füllhorn der Weizen- und Futtermittellieferungen war leer.
    Krieg war keine Option. Funktechnik und Elektronik waren
unverläßlich, Waffensysteme, Flugzeuge und Raketen nicht
oder nur bedingt einsatzfähig. Im Nahen Osten dauerten die
kriegerischen Verwicklungen an, brannten jedoch auf Sparflamme. Auch
dort hatten sich die Witterungs- und Klimaverhältnisse
geändert, und während des Winters war mehrmals leuchtender
Schnee auf Damaskus, Beirut und Jerusalem gefallen.
    Mit der Bezeichnung »Winter des leuchtenden Schnees« war
alles gesagt, was schiefgegangen war und was weiterhin schiefging;
nicht bloß das Wetter.
    Paulsen-Fuchs’ Citroen stotterte die ungeteerte, holprige,
einspurige Landstraße entlang. Die Schneeketten klirrten und
mahlten. Er ging sehr schonend mit dem Motor um, trat behutsam aufs
Gaspedal, wenn er wegzubleiben drohte, bremste behutsam auf glatten
Gefällstrecken, verstand es immer wieder, den Motor in Gang zu
halten. Auf dem Beifahrersitz lagen ein Beutel mit
Taschenbuch-Kriminalromanen und ein Picknickkorb, aus dem der Hals
einer Flasche ragte.
    Wenige Maschinen arbeiteten noch zufriedenstellend. Pharmek war
seit sechs Monaten geschlossen, da ernste Instandhaltungsprobleme
aufgetreten waren. Anfangs hatte man versucht, die
Maschinenausfälle durch vermehrte Einstellungen von Personal
auszugleichen, aber es hatte sich bald herausgestellt, daß die
Fabriken nicht mit Personal allein produzieren konnten.
    Er hielt bei einem Holzpfosten und kurbelte das Fenster herab, um
einen klaren Blick auf die Richtungsangaben zu bekommen. Camusfearna,
verkündete ein handgeschnitzter Wegweiser, war in seiner
Fahrtrichtung, zwei Kilometer entfernt.
    Ganz Wales schien bedeckt mit phosphoreszierendem Meeresschaum.
Aus dem schwarzen Himmel kamen Wolken von leuchtenden Flocken, jede
aufgeladen mit geheimnisvollem Licht. Er schloß das Fenster und
sah Flocken auf die Windschutzscheibe fallen und kurz aufleuchten,
als die Scheibenwischer sie erfaßten und
beiseitestießen.
    Die Scheinwerfer waren ausgeschaltet, obwohl es Nacht war. Er
konnte im Schneeleuchten gut genug sehen. Kühlwassersystem und
Heizung ließen unheilverkündende gurgelnde Geräusche
hören, und er hielt den Wagen mit Fingerspitzengefühl und
gutem Zureden in Fahrt.
    Fünfzehn Minuten später bog er nach rechts in eine
schmale, schneeverhüllte Schotterpiste und fuhr nach Camusfearna
hinein. Die winzige Bucht enthielt nur vier Häuser und einen
kleinen Bootsschuppen, der gegenwärtig von scharfgezackten,
verkrusteten Schollen Meereseis eingeschlossen war. Der warme gelbe
Lichtschein aus den Fenstern war durch den Schneefall deutlich
sichtbar, aber der Ozean jenseits von ihnen war schwarz und leer wie
der Himmel.
    Das letzte Haus auf der Nordseite, hatte Gogarty gesagt. Er
verpaßte die Abzweigung, rumpelte über gefrorenes Gras und
steinigen Boden und wendete, um wieder die Straße zu
erreichen.
    Seit dreißig Jahren hatte er nichts auch nur halb so
Verrücktes getan. Der Motor des Citroen hustete, erstarb und kam
zehn Meter vor der alten, schmalen Garage ganz zum Stillstand.
Leuchtender Schnee wirbelte und träumte.
    Gogartys Haus war ein sehr altes steinernes Fischerhaus, verputzt
und weiß getüncht, geformt wie ein Ziegelstein – zwei
Geschosse unter einem Schieferdach.
    Am Nordende des Hauses hatte man eine Garage angebaut und deren
Wellblechdach und Bretterwände gleichfalls weiß
gestrichen. Die Garagentür öffnete sich und fügte dem
universalen Blaugrün
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