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Blutmusik

Blutmusik

Titel: Blutmusik
Autoren: Greg Bear
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»Nein. Bernard ging mit seinen Noozyten, und
ich glaube, seine Noozyten sind am gleichen Ort wie die
nordamerikanischen Noozyten. – Wenn ›Ort‹ das
geeignete Wort ist.«
    »Und wo sollte das sein? In einer anderen
Dimension?«
    Gogarty schüttelte energisch den Kopf. »Genau hier.
Genau hier, wo alles beginnt. Wir leben natürlich im
Makrokosmos, und wenn wir unsere Welt erforschen, neigen wir dazu,
den Blick auf die großen äußeren Phänomene zu
lenken. Aber die Noozyten gehören dem Mikrokosmos an. Es
fällt ihnen schwer, einen Begriff wie den des Universums mit
seinen Sternen zu verstehen. Sie richten den Blick nach innen.
Für sie liegt das zu Entdeckende in den sehr kleinen
Phänomenen. Und wenn wir davon ausgehen können, daß
die nordamerikanischen Noozyten sehr rasch eine entwickelte
Zivilisation schufen – eine Annahme, die durchaus berechtigt
scheint –, dann können wir getrost vermuten, daß sie
Mittel und Wege gefunden haben, die sehr kleinen Phänomene zu
erforschen.«
    »Kleiner als sie selbst.«
    »Um einen noch größeren Faktor kleiner als unsere
Größe verglichen mit einer Galaxis.«
    »Sie sprechen von Quantenlängen?« Paulsen-Fuchs
wußte nicht viel von diesen Dingen, doch war er auch nicht
völlig ahnungslos.
    Gogarty nickte. »Nun ergibt es sich, daß das sehr
Kleine meine Spezialität ist. Darum wurde ich gebeten, an dieser
Noozyten-Untersuchung teilzunehmen. Der größte Teil meiner
Forschungsarbeit beschäftigt sich mit Leptonen und den
hypothetischen Rishonen, und ich glaube, wir können unser
Augenmerk auf die Submikroskala richten, wenn wir entdecken wollen,
wohin die Noozyten gingen, und warum.«
    »Haben Sie eine Vermutung, warum?« fragte
Paulsen-Fuchs.
    Gogarty zog einen Stoß von Papieren über den Tisch, die
mit handgeschriebenen Texten und Gleichungen bedeckt waren.
»Information kann noch kompakter gespeichert werden als im
molekularen Gedächtnis. Es kann in der Struktur der Raumzeit
gespeichert werden. Was ist Materie schließlich anderes als
eine stehende Welle von Information in Vakuum? Die Noozyten haben
dies unzweifelhaft entdeckt und damit gearbeitet -Haben Sie von Los
Angeles gehört?«
    »Nein. Was ist damit?«
    »Noch ehe die Noozyten verschwanden, verschwanden Los Angeles
und die Küstenstädte weiter südlich bis Tijuana. Oder,
besser gesagt, sie wurden etwas anderes. Ein großes Experiment,
vielleicht. Eine Kostümprobe dafür, was jetzt
geschieht.«
    Paulsen-Fuchs nickte, ohne wirklich zu verstehen, und lehnte sich
mit seiner Teetasse zurück. »Es war schwierig, hierher zu
kommen«, sagte er. »Schwieriger noch, als ich
erwartete.«
    »Die Regeln haben sich geändert.«
    »Darin scheint allgemeine Übereinstimmung zu bestehen.
Aber warum, und in welcher Weise?«
    »Sie sehen müde aus«, sagte Gogarty. »Ich
schlage vor, daß wir uns einfach entspannen, der Wärme
erfreuen und unseren Verstand über das wiederholte Lesen des
Briefes hinaus nicht strapazieren.«
    Paulsen-Fuchs nickte wieder, dann lehnte er den Kopf zurück
und schloß die Augen. »Ja«, murmelte er. »Viel
schwieriger als ich dachte.«
    Zur Stunde des Sonnenaufgangs hatte der Schneefall aufgehört.
Das Tageslicht verwandelte die Felder und Ufer in harmloses
Weiß. Die düsteren Schneewolken waren abgezogen und ihnen
folgten harmlos aussehende graue Wattebäusche, die mit dem
Westwind einhertrieben. Paulsen-Fuchs erwachte zum Duft von Toast und
frischem Kaffee. Er stützte sich auf die Ellbogen und rieb sich
das zerzauste Haar. Die Couch, auf der er genächtigt hatte, war
ein angenehmes Lager gewesen; er fühlte sich ausgeruht und
erfrischt, wenn auch noch unsauber von der langen Reise.
    »Wie wäre es mit heißem Wasser für eine
Dusche?« fragte Gogarty.
    »Wundervoll.«
    »Im Duschbad ist es ein bißchen kalt, aber ziehen Sie
diese Badeschuhe an, bleiben Sie auf den Holzlatten, und es sollte
nicht allzu schlimm sein.«
    Sehr viel munterer und wacher – im Duschraum war es
unmenschlich kalt gewesen –, setzte sich Paulsen-Fuchs an den
Frühstückstisch. »Ihre Gastfreundschaft ist
bemerkenswert«, sagte er, als er Toast mit Butter und Marmelade
kaute. »Ich fühle mich sehr schuldig an der Art und Weise,
wie Sie in Deutschland behandelt wurden.«
    Gogarty schürzte die Lippen und winkte ab. »Denken Sie
sich nichts dabei! Alle standen unter Streß, was
verständlich ist.«
    »Was sagt der Brief heute morgen?«
    »Lesen Sie selbst!«
    Paulsen-Fuchs entfaltete das blendend weiße Blatt
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