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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen
Autoren: Joe Abercrombie
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leichte Brise wehte über den Berghang und ließ die federweichen weißen Härchen auf Coscas leberfleckiger Platte erschauern. »Ich freue mich schon darauf, Ihnen meine Geschichten zu erzählen, Sworbreck!« Tempel unterdrückte erneut eine angeekelte Grimasse. »Die Belagerung von Dagoska!« Die in einer kompletten Katastrophe geendet hatte. »Die Schlacht von Afieri!« Ein beschämendes Desaster. »Die Blutsjahre!« In denen Cosca öfter die Seiten gewechselt hatte als sein Hemd. »Der Kadiri-Feldzug!« Ein betrunkenes Fiasko. »Jahrelang habe ich sogar eine Ziege gehalten. Ein störrische Vieh, aber sehr treu, das musste man ihr lassen …«
    Sworbreck gelang die bemerkenswerte Leistung, im Schneidersitz vor einem großen Trümmerbrocken eine unterwürfige Verbeugung zu vollführen. »Ich zweifle nicht daran, dass meine Leser von Ihren Ausführungen fasziniert sein werden.«
    »Es gibt genug Stoff für zwanzig Bände!«
    »Drei wären mehr als ausreichend …«
    »Ich war einmal Großherzog von Visserine, müssen Sie wissen.« Mit einer großzügigen Handbewegung wischte Cosca eine Demutsbezeugung beiseite, die gar nicht erfolgt war. »Keine Sorge, Sie müssen mich nicht mit Exzellenz ansprechen – hier bei der Kompanie der Gütigen Hand halten wir uns nicht mit Formalitäten auf, nicht wahr, Tempel?«
    Tempel holte tief Luft. »Wir geben uns ganz formlos.« Die Männer der Kompanie waren größtenteils Lügner, allesamt Diebe, teilweise Mörder. Dass Formalitäten bei ihnen keine Rolle spielten, war nicht weiter überraschend.
    »Feldwebel Freundlich ist sogar noch länger bei mir als Tempel, schon seit wir Großherzog Orso absetzten und Monzcarro Murcatto auf den Thron von Talins brachten.«
    Sworbreck sah auf. »Sie kennen die Großherzogin?«
    »Sehr gut sogar. Ich kann ohne Übertreibung sagen, dass ich ihr enger Freund und Mentor war. Bei der Belagerung von Muris habe ich ihr das Leben gerettet, und sie mir das meine! Die Geschichte ihres Aufstiegs muss ich Ihnen bei Gelegenheit einmal erzählen, das war ein edles Unterfangen. Es gibt nur wenige hochstehende Persönlichkeiten, für die oder gegen die ich nicht irgendwann einmal gekämpft habe. Feldwebel Freundlich?«
    Der halslose Feldwebel sah auf. Sein Gesicht blieb ausdruckslos wie eine Felswand.
    »Wie beurteilst denn du deine Zeit an meiner Seite?«
    »Mir war das Gefängnis lieber.« Und damit ließ er wieder seine Würfel über den Tisch rollen, eine Beschäftigung, mit der er Stunden verbringen konnte.
    »Ein echter Scherzbold, dieser Mann!« Cosca deutete mit einem knochigen Finger in Freundlichs Richtung, obwohl beim besten Willen kein Witz zu erkennen war. In den vergangenen fünf Jahren hatte Tempel noch nie gehört, dass Feldwebel Freundlich Witze machte. »Sworbreck, Sie werden feststellen, dass es in der Kompanie ständig was zu lachen gibt!«
    Und außerdem schwelende Fehden, zermürbende Faulheit, Gewalt, Krankheiten, Plünderungen, Verrat, Trunkenheit und Ausschweifungen, die jedem Teufel die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätten.
    »In diesen fünf Jahren«, bestätigte Tempel, »bin ich aus dem Lachen kaum rausgekommen.«
    Tatsächlich hatte es einmal eine Zeit gegeben, da hatte er die Geschichten des Alten lustig, faszinierend, bewegend gefunden. Als einen kleinen fantastischen Ausblick darauf, wie es war, wenn man keine Angst hatte. Inzwischen machten sie ihn krank. Entweder hatte Tempel die Wahrheit herausgefunden, oder Cosca hatte sie vergessen. Was von beidem eher zutraf? Schwer zu sagen. Vielleicht stimmte beides ein wenig.
    »Ja, ich blicke auf eine schillernde Karriere zurück. Voller stolzer Augenblicke. Voller Triumphe. Aber natürlich auch voller Niederlagen. Die muss jeder große Mann verzeichnen. Wie Sazine immer gesagt hat: Reue ist der Preis unseres Geschäfts. Man hat mich oft der Unbeständigkeit beschuldigt, dabei denke ich, an jeder schicksalhaften Wegkreuzung dasselbe getan zu haben. Nämlich das, was mir gefiel.« Die sprunghafte Aufmerksamkeit des alternden Söldners wandte sich nun wieder der in seiner Einbildung so ruhmreichen Vergangenheit zu. Tempel entfernte sich ein wenig, trat hinter eine geborstene Säule. »Ich hatte eine glückliche Kindheit, aber eine wilde Jugend voller hässlicher Begebenheiten, und mit siebzehn verließ ich meinen Geburtsort, um mit meiner Schlauheit, meinem Mut und meiner treuen Klinge mein Glück zu machen …«
    Die Angebereien wurden gnädigerweise leiser, als Tempel den
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