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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen
Autoren: Joe Abercrombie
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dem Schwarzen Dow abgenommen. Irgendwann rächt sich eben alles, was?«
    »Immer.« Lamm reckte den Kopf erst nach links und dann nach rechts. »Es rächt sich alles.«
    Die Zeit zog sich hin. Diese Kinder lachten noch immer irgendwo, vielleicht mischten sich jetzt die lauten Worte ihrer Mutter mit hinein, die sie ins Haus rief. Der Schaukelstuhl der Alten knarrte noch immer leise auf der Veranda. Die Wetterfahne kreischte und knirschte. Ein leichter Wind erhob sich und fuhr in den Straßenstaub und ließ die Mäntel der beiden Männer flattern, die nur vier oder fünf Schritt Abstand voneinander hatten.
    »Was passiert da?«, flüsterte Pit, und er bekam keine Antwort.
    Espe bleckte die Zähne. Lamm verengte die Augen. Scheus Hand krallte sich beinahe schmerzhaft fest in Ros Schulter, und das Blut pochte nun in ihrem Kopf, der Atem kroch durch ihre Kehle, langsam, so langsam, der Schaukelstuhl knarrte und das lose Brett klapperte, und irgendwo bellte ein Hund.
    »Also?«, grollte Lamm.
    Espe legte den Kopf in den Nacken, und sein gutes Auge glitt über Ro. Ruhte kurz auf ihr. Und sie ballte ihre Fäuste und biss die Zähne zusammen, und plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie sich wünschte, er würde Lamm töten. Sie wünschte es sich mit aller Macht. Der Wind kam wieder auf und fuhr in sein Haar, ließ es um sein Gesicht flattern.
    Knirsch. Knarr. Klapper.
    Espe zuckte die Achseln. »Dann geh ich wohl mal.«
    »Was?«
    »Ist ein ziemlich langer Heimweg. Muss denen ja sagen, dass der neunfingrige Drecksack wieder zu Schlamm geworden ist. Meinen Sie nicht, Meister Lamm?«
    Lamm ballte die Linke zur Faust, so dass man den Stummel nicht sah, und schluckte. »Lange tot und vergessen.«
    »Ist wohl auch das Beste, denk ich. Wer will dem schon noch mal über den Weg laufen?« Und dann ging Espe einfach so zu seinem Pferd und stieg auf. »Ich würde ja sagen, man sieht sich … aber ich denke, das lass ich mal besser.«
    Lamm stand da und sah ihm zu. »Joh.«
    »Manche Männer sind einfach nicht dafür gemacht, Gutes zu tun.« Espe holte tief Luft und lächelte. Ein seltsamer Anblick auf diesem zerstörten Gesicht. »Aber es fühlt sich trotzdem gut an, Dinge loszulassen.« Und er wandte sein Pferd und ritt nach Osten zur Stadt hinaus.
    Sie alle blieben noch eine Weile dicht beieinander stehen im Wind, mit dem knarrenden Schaukelstuhl und der untergehenden Sonne, und dann stieß Weh einen rasselnden Seufzer aus und sagte: »Zur Hölle noch mal, ich hätte mir fast in die Hosen geschissen!«
    Es war, als ob sie plötzlich alle wieder atmen konnten, und Scheu und Pit umarmten sich, aber Ro lächelte nicht. Sie beobachtete Lamm. Er lächelte auch nicht. Betrachtete nur grimmig den Staub, den Espe aufgewirbelt hatte. Dann ging er zurück zum Laden, die Treppe hinauf und ohne ein Wort zur Tür hinein. Scheu folgte ihm. Er nahm Dinge von den Regalen, als habe er es mächtig eilig. Dörrfleisch, Futter, Wasser, eine zusammengerollte Decke. Alles, was man für eine längere Fahrt brauchte.
    »Was machst du denn, Lamm?«
    Er sah kurz mit schuldbewusstem Gesicht auf, dann fuhr er mit dem Packen fort. »Ich habe immer versucht, das Beste für euch zu tun«, sagte er. »Das war das Versprechen, das ich eurer Mutter gegeben habe. Und das Beste, was ich jetzt tun kann, ist zu gehen.«
    »Wohin?«
    »Ich weiß es nicht.« Er hielt einen Augenblick inne, betrachtete den Stumpf seines Mittelfingers. »Es wird jemand kommen, Scheu, früher oder später. Da muss man realistisch sein. Man kann nicht tun, was ich getan habe, und dann mit einem Lächeln davonkommen. Der Ärger wird mir immer folgen. Und jetzt kann ich nichts anderes tun, als ihn mit mir mitzunehmen.«
    »Tu nicht so, als tätest du es für uns«, sagte Scheu.
    Lamm verzog das Gesicht. »Ein Mann muss so sein, wie er eben ist. So ist das nun mal. Sag Tempel von mir Auf Wiedersehen. Ich denk mal, du bist mit ihm schon ganz gut dran.«
    Er nahm diese wenigen Dinge und ging wieder auf die Straße hinaus, verstaute alles in seinen Satteltaschen und war bereit zur Abreise.
    »Ich versteh das nicht«, sagte Pit mit Tränen auf den Wangen.
    »Ich weiß.« Lamm kniete vor ihm, und es sah aus, als habe auch er feuchte Augen. »Und es tut mir leid. Alles.« Er beugte sich vor und zog sie alle drei in eine ungelenke Umarmung.
    »Die Toten wissen, dass ich Fehler gemacht habe«, sagte Lamm. »Ist wohl so, dass ein Mann sein Leben auf perfektem Kurs steuern würde, wenn er sich jedes Mal
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