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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen
Autoren: Joe Abercrombie
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noch als sie, so wie es aussah. Scheu hinkte zu der Bank vor dem Haus und ließ sich darauf fallen, streckte das verletzte Bein aus und lehnte sich zurück. Sie stöhnte, als sie ihre Muskeln langsam entspannte und endlich den Korken mit diesem volltönenden Plopp aus der Flasche zog, das einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Oh, war das schön, einfach einmal nichts zu tun. Nichts zu denken. Jetzt, dachte sie, konnte sie sich einmal eine Pause gönnen.
    Die letzten paar Monate waren verdammt harte Arbeit gewesen.
    Sie setzte die Flasche wieder ab, blickte die Straße hinunter, und der Alkohol brannte auf gar nicht mal unangenehme Weise an den Verletzungen an ihrem Mund. Ein Reiter kam durch die Dämmerung aus Rauch und Nieselregen. Ein ziemlich zusammengesunkener Reiter, in langsamem Schritt, der allmählich Gestalt annahm, als er näher kam – groß und alt und ramponiert. Sein Mantel war zerrissen und verdreckt und mit Asche beschmiert. Er hatte seinen Hut verloren, das kurz geschorene graue Haar war nass von Blut und Regen, das Gesicht voller Dreckstreifen und blauen Flecken, verschorft, abgeschürft, geschwollen.
    Sie nahm noch einen Schluck aus ihrer Flasche. »Hab mich schon gefragt, wann du hier auftauchen würdest.«
    »Brauchst du jetzt nicht mehr«, schnaufte Lamm und hielt an; sein altes Pferd sah aus, als könnte es ohnehin keinen Schritt mehr tun. »Geht’s den Kindern gut?«
    »So gut wie vorher auch.«
    »Und dir?«
    »Ich weiß nicht, wann es mir das letzte Mal gut ging, aber ich bin noch am Leben. So gerade eben. Und du?«
    »So gerade eben.« Er stieg von seinem Pferd, die Zähne zusammengebissen, und machte sich nicht einmal die Mühe, das Tier anzubinden. »Eins kann man wohl von mir sagen … ich bin einer, der immer wieder überlebt.« Er hielt sich die Rippen, während er humpelnd die Stufen zur Veranda erklomm. Er betrachtete die Bank, dann sein Schwert, erkannte, dass er sich nicht würde hinsetzen können, solange er es umgeschnallt hatte, machte sich an der Gürtelschnalle zu schaffen, mit rot abgeschürften Knöcheln und zwei Fingern, die noch verbunden waren und die er steif wegstreckte.
    »Bei … den … verdammten …«
    »Warte.« Sie beugte sich zu ihm, öffnete die Schnalle, und er zog das Schwert vom Gürtel, den er offen hängen ließ, dann sah er sich nach einem Platz um, wohin er die Waffe legen konnte, gab auf und ließ sie auf die Bodenbretter fallen, sank neben ihr auf die Bank und streckte langsam, ganz langsam seine Beine neben ihr aus. »Savian?«, fragte sie.
    Lamm schüttelte ganz leicht den Kopf. Als ob es ihm wehtun würde, wenn er sich mehr bewegte. »Wo ist Cosca?«
    »Weg.« Sie reichte ihm die Flasche. »Tempel hat ihn mit Rechtskunde abserviert.«
    »Mit Rechtskunde?«
    »Und ein bisschen Unterstützung von Hochwürden und einem letzten Auftritt von beachtlicher Güte.«
    »Tja, wer hätte das gedacht.« Lamm nahm einen langen Schluck und wischte sich die schrundigen Lippen, während er über die Straße zu Curnsbicks Manufaktur blickte. Ein paar Häuser weiter, über einer alten Spielhalle, wurde gerade ein neues Schild hochgezogen, auf dem Valint & Balk, Bankhaus stand. Lamm nahm noch einen Schluck. »Die Zeiten ändern sich aber wirklich.«
    »Fühlst du dich ausgeschlossen?«
    Er sah mit einem Auge zu ihr hinüber, halb zugeschwollen, gerötet und blutunterlaufen, und hielt ihr die Flasche wieder hin. »Schon eine ganze Weile.«
    Sie saßen da, sahen einander an, wie zwei Überlebende einer Lawine. »Was ist passiert, Lamm?«
    Er öffnete den Mund, als dächte er darüber nach, wo er anfangen sollte, dann zuckte er lediglich die Achseln und sah noch müder und mitgenommener aus als sie. »Spielt das eine Rolle?«
    Wenn nichts gesagt werden muss, wieso sollte man es dann tun? Sie hob die Flasche. »Nein. Wahrscheinlich nicht.«

LETZTE WORTE
    G anz wie in alten Zeiten, was?«, sagte Süß und blickte grinsend über die teils schneebedeckte Landschaft.
    »Kälter«, meinte Scheu, die sich fester in ihren neuen Mantel wickelte.
    »Ein paar Narben mehr«, sagte Lamm und verzog leicht das Gesicht, während er sanft die rosafarbene Haut massierte, die sich über einem der jüngsten Neuzugänge auf seinem Gesicht spannte.
    »Noch mehr Schulden«, sagte Tempel und klopfte auf seine leeren Taschen.
    Süß lachte leise.
    »Ihr seid mir vielleicht ein paar Jammerlappen. Ihr lebt noch, oder etwa nicht, und ihr habt die Kinder gefunden, und jetzt liegt das
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