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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen
Autoren: Joe Abercrombie
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hatten, aber er war trotzdem nicht weniger zufrieden.
    »Ich hatte es Ihnen doch immer gesagt, dass ich meinen größten Auftritt noch vor mir habe!«, erklärte Lestek.
    »Und das war auch so«, sagte Hochwürden.
    »Sie haben mich allerdings wirklich gut unterstützt, jedenfalls für Laiendarsteller. Wenn Sie mich fragen, Sie hätten auf der Bühne eine große Zukunft.«
    »Mussten Sie mich schlagen?«, fragte Tempel, der seine aufgeplatzte Lippe betastete.
    »Irgendjemand musste das tun«, murmelte Hochwürden.
    »Fragen Sie sich lieber, hätte der schreckliche Legat Sarmis Sie geschlagen, und machen Sie ihn für Ihre Schmerzen verantwortlich«, sagte Lestek. »Bei einem Auftritt kommt es auf die Kleinigkeiten an, mein Junge, auf die Kleinigkeiten! Man muss ganz und gar in seiner Rolle aufgehen. Wobei mir einfällt, bitte danken Sie meiner kleinen Legion, bevor sie sich wieder zerstreut, es war eine gute Gemeinschaftsleistung.«
    »Für fünf Zimmerleute, drei bankrotte Goldsucher, einen Barbier und einen Trunksüchtigen haben sie eine ganz ordentliche Ehrengarde abgegeben«, sagte Tempel.
    »Der Trunksüchtige hat sich erstaunlich gut gemacht«, bestätigte Lestek.
    »Eine gute Entdeckung«, setzte Hochwürden hinzu.
    »Hat es tatsächlich geklappt?« Scheu Süd war herangehumpelt und lehnte sich gegen den Türrahmen.
    »Ich hab dir doch gesagt, das würde es«, sagte Tempel.
    »Aber es war offensichtlich, dass du selbst nicht daran geglaubt hast.«
    »Nein«, gab er zu und blickte zum Himmel hinauf. »Es muss wohl tatsächlich einen Gott geben.«
    »Sind Sie sicher, dass sie uns diese Geschichte abkaufen?«, fragte Hochwürden. »Auch noch, wenn der Rest der Kompanie zu ihnen stößt und sie Zeit hatten, über die Sache nachzudenken?«
    »Die Menschen glauben, was sie glauben wollen«, sagte Tempel. »Cosca ist erledigt. Und diese armen Säcke wollen nach Hause.«
    »Ein Sieg der Kultur über die Barbarei«, sagte Lestek und schnippte gegen den Federbusch an seinem Helm.
    »Ein Sieg des Gesetzes über das Chaos«, sagte Tempel und fächelte sich mit dem wertlosen Abkommen Kühlung zu.
    »Ein Sieg für die Lüge«, sagte Hochwürden, »und das auch nur sehr knapp.«
    Scheu Süd zuckte die Achseln und sagte: »Gewonnen ist gewonnen.«
    »Das ist nur zu wahr!« Lestek atmete tief durch die Nase ein, und trotz des Schmerzes und auch wenn er wusste, dass er nicht mehr viel Zeit hatte, tat er diesen Atemzug mit tiefster Befriedigung. Vielleicht gerade deshalb. »Als junger Mann fand ich ein glückliches Ende immer fürchterlich, aber Sie dürfen mich heute gern sentimental nennen – inzwischen schätze ich so etwas immer mehr.«

DER PREIS
    S cheu tauchte die hohle Hand ins Wasser und spritzte es sich ins Gesicht, und dann stöhnte sie, weil es so kalt war, kurz vorm Gefrieren. Mit den Fingerspitzen massierte sie sich die müden Augenlider, die schmerzenden Wangen und den zerschlagenen Mund. Blieb stehen, über die Schale gebeugt, und die herabfallenden Tropfen zerrissen ihr schwaches Spiegelbild. Das Wasser färbte sich hellrot vom Blut. Schwer zu sagen, wo genau das herkam. In den letzten Monaten hatte sie Prügel eingesteckt wie ein Preisboxer. Nur ohne Preis.
    Da war die lange Verbrennung von dem Seil, die sich rund um ihren einen Unterarm schlang, und die neue Schnittwunde am anderen, über der das Blut durch den Verband gesickert war. Ihre Hände waren auf der Ober- und Unterseite aufgerissen, die Nägel gesprungen, die Knöchel verschorft. Sie kratzte an der Narbe unter ihrem Ohr, eine Erinnerung an diesen Geist draußen auf der Großen Ebene. Fast hätte er sich ein ganzes Ohr geholt, um eine Erinnerung an sie zu haben. Sie fühlte die Knubbel und Schorfwunden auf ihrer Kopfhaut, die Kerben im Gesicht, bei denen sie sich teilweise nicht einmal mehr daran erinnern konnte, wie es zu diesen Verletzungen gekommen war. Sie ließ die Schultern hängen und bewegte ihre Wirbelsäule, und die zahllosen Wunden und Abschürfungen und die blauen Flecken schimpften mit ihr wie ein Chor hässlicher, kleiner Stimmen.
    Sie sah auf die Straße hinunter und beobachtete kurz die Kinder. Majud hatte ihnen irgendwoher neue Kleidung besorgt – einen dunklen Anzug und ein Hemd für Pit, und ein grünes Kleid mit Spitze an den Ärmeln für Ro. Bessere Sachen, als Scheu ihnen jemals hatte kaufen können. Sie hätten als Kinder reicher Leute durchgehen können, wären ihre rasierten Köpfe nicht gewesen, deren dunkles Haar noch nicht
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