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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen
Autoren: Joe Abercrombie
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Fernland vor euch. Das nenn ich ein ziemlich ordentliches Ergebnis.«
    Lamm sah grimmig zum Horizont. Scheu brummte widerstrebend ein paar zustimmende Worte. Tempel lächelte in sich hinein, schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken, damit die Sonnenstrahlen durch seine Lider dringen konnten. Er war am Leben. Er war frei. Er hatte mehr Schulden denn je, aber trotzdem war er zufrieden mit der Entwicklung der Dinge. Falls es einen Gott gab, dann war er ein nachsichtiger Vater, der seinen Kindern vergab, egal wie schwer sie gefehlt haben mochten.
    »Sieht aus, als sei unser alter Freund Buckhorm zu Wohlstand gekommen«, sagte Lamm, als sie über einen Hügelkamm kamen und auf den Hof des Genannten hinabblickten.
    Er war an einer sorgfältig gewählten Stelle an einem Bach errichtet worden und bestand aus einigen solide wirkenden Blockhütten, die im Viereck angeordnet waren. Nach außen blickten nur kleine Fenster, ein Zaun aus angespitzten Pfählen schloss die Lücken zwischen den Gebäuden, und neben dem Tor befand sich ein zweimal mannshoher, hölzerner Turm. Ein sicherer, zivilisierter, gemütlich aussehender Ort. Rauch ringelte sich leise aus dem Schornstein und befleckte den Himmel. Das Tal um den Hof herum war, soweit Tempels Auge reichte, mit einem Teppich aus hohem grünem Gras bewachsen, der in den Niederungen von einigen weißen Schneeflecken durchbrochen wurde und von einigen kleineren braunen Tupfen, den grasenden Kühen.
    »Sieht aus, als hätte er Vieh zu verkaufen«, sagte Scheu.
    Süß erhob sich in den Steigbügeln, um eine Kuh genauer in Augenschein zu nehmen. »Und noch dazu gutes Vieh. Ich freue mich schon darauf, die zu braten.« Die Kuh erwiderte seinen Blick voll Misstrauen. Offenbar war sie von der Idee weit weniger angetan.
    »Vielleicht sollten wir noch ein paar zusätzliche Tiere mitnehmen«, sagte Scheu, »eine kleine Herde, und die bis nach Naheland treiben.«
    »Du hast stets einen Blick für ein gutes Geschäft, oder?«, fragte Süß.
    »Wieso sollte man seine Augen davor verschließen? Zumal wir einen der weltbesten Viehtreiber in unseren Reihen haben, der nur faul herumsitzt.«
    »O Gott«, murmelte Tempel.
    »Buckhorm?«, brüllte Süß, als sie zu viert zum Tor geritten kamen. »Bist du da?« Aber es kam keine Antwort. Das Tor stand offen, eine der Angeln knarrte leise, als der Wind es bewegte. Ansonsten war alles still, abgesehen von den muhenden Kühen auf den Wiesen.
    Dann war das sanfte Scharren zu hören, mit dem Lamm sein Schwert zog. »Hier stimmt was nicht.«
    »Joh«, sagte Süß, stützte sich den Flachbogen ruhig aufs Knie und legte einen Bolzen auf.
    »Ohne Zweifel.« Scheu ließ den eigenen Bogen von der Schulter gleiten und zog einen Pfeil aus dem Köcher an ihrem Schenkel.
    »O Gott«, sagte Tempel und achtete darauf, als Letzter hinter den anderen durch das Tor zu schlüpfen. Die Hufe ihrer Pferde machten schmatzende, knirschende Geräusche auf dem halb gefrorenen Boden. Hörte das denn nie auf? Er spähte zu den Türen und in die Fenster, verzog das Gesicht in angespannter Erwartung und fürchtete alle möglichen Schrecken, angefangen mit einer Truppe Banditen, einer Horde Geister oder sogar Waerdinurs rachelüsternem Drachen, der plötzlich aus der Erde hervorbrechen mochte, um seinen Schatz zurückzufordern.
    »Wo ist mein Gold, Tempel?«
    Er hätte den Drachen jenem entsetzlichen Phantom vorgezogen, das sich nun unter dem niedrigen Sturz von Buckhorms Haustür ins Licht schob. Wer konnte es anders sein als der berüchtigte Glücksritter Nicomo Cosca?
    Seine einst so schönen Kleider waren zu schmuddeligen Lumpen verkommen, den verrosteten Brustpanzer hatte er verloren, und sein dreckiges Hemd wurde nur noch von zwei Knöpfen zusammengehalten. Ein Hosenbein wies einen klaffenden Riss auf und gab ein dürres, zitterndes weißes Wadenbein frei. Sein großartiger Hut war Geschichte, die wenigen Strähnen grauen Haars, die er mit so viel Sorgfalt gezüchtet hatte, um seine leberfleckige Glatze zu verdecken, umrahmten seinen Schädel jetzt wie ein fettig gesträubter Heiligenschein. Sein Ausschlag war flammend rot, voller verschorfter Nagelspuren, und wuchs wie Schimmel an einer Kellerwand vom Hals zu seinem Gesicht hinauf, dessen wächserne Haut beängstigend rote Flecken zeigte. Seine Hand lag zitternd am Türrahmen, sein Gang war unsicher, und er wirkte am ehesten wie ein exhumierter Leichnam, der durch Zauberhand zu einer Abart von Leben erweckt worden
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