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Blutiges Eis

Blutiges Eis

Titel: Blutiges Eis
Autoren: Giles Blunt
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Gesundheit.«
    »Na ja, das hier wird vermutlich ein bisschen interessanter.«
    Ein großer Mann kam in einem verschmierten Overall aus der Werkstatt. Er hatte breite Schultern, schmale Hüften und war vermutlich einmal eine imposante Erscheinung gewesen. Doch der Overall wölbte sich vorne, als steckte ein Basketball darin. Sein Gesicht verschwand unter einem buschigen Holzfällerbart, schwarz-grau meliert. Ivan Bergeron war die eine Hälfte der Bergeron-Brüder, eineiige Zwillinge, die volle sechs Jahre lang den Mannschaftssport an der Algonquin Highschool beherrscht hatten. Das war ein bisschen vor Cardinals Zeit gewesen, doch Ivan und sein Bruder Carl waren ihm aus seinem ersten Jahr am Gymnasium als eine explosive Mischung im Hockey- wie auch im Football-Team in Erinnerung geblieben.
    »Sagen Sie uns, was Sie gefunden haben«, sagte Cardinal. »Dann gehen wir rüber und werfen einen Blick drauf.«
    »Also, ich bin in der Werkstatt«, erzählte Bergeron, »und versuch, ein ’74er Ski-Doo wiederzubeleben, das schon vor zwanzig Jahren auf den Schrott gehört hätte. Der Hund fängt an zu bellen, ist sonst nicht seine Art, und auf einmal kläfft er los wie’n Wahnsinniger. Ich brüll, er soll aufhören, aber er macht weiter. Irgendwann geh ich raus, und da steht er im Garten hinterm Haus und – am besten kommen Sie mit, ich zeig’s Ihnen.«
    Um die Ecke lehnte sich ein zweistöckiges Haus an die Werkstatt, als wäre es ohnmächtig geworden. Bergeron führte sie daran vorbei in den Garten. »Da liegt es, da«, sagte er und wies mit dem Finger. »Ich hab den dämlichen Köter gleich ins Haus geschleift, als ich sah, was es ist. Er hat auch noch erwartet, ich würde ihn dazu beglückwünschen oder so, aber ich dachte nur, das kann doch nicht wahr sein.«
    »Wann war das?«, fragte Cardinal.
    »Weiß nicht – so um zehn herum?«
    »Und Sie holen uns erst jetzt?«
    »Na ja, woher soll ich denn wissen, was ich machen soll? War ja nicht gerade so was wie’n Notfall. Und ehrlich gesagt, ich wollte am liebsten gar nicht drüber nachdenken.«
    Cardinal hatte in seinen zwanzig Dienstjahren eine Menge unschöne Dinge gesehen, aber noch nie einen menschlichen Arm, der vollständig von seinem Eigentümer abgetrennt war. Sie standen vielleicht drei Meter davon entfernt. Ivan Bergeron machte keine Anstalten, einen Schritt näher zu gehen. Er pflanzte sich breitbeinig auf und verschränkte die Arme über dem Bauch.
    Cardinal und Delorme gingen zu dem Ding hinüber.
    »Ihr nehmt es doch hoffentlich mit«, sagte Bergeron.
    »Noch nicht«, sagte Cardinal. »Sind Sie sicher, dass der Hund es hierher gebracht hat? Sie haben ihn nicht dabei beobachtet, oder? Sie sind erst rausgekommen, als er dastand und es anbellte, nicht wahr?«
    »Er muss es aus dem Gebüsch rübergeschleppt haben. Er hat ne ganze Weile da draußen rumgetobt, bevor er damit ankam.«
    Cardinal merkte, wie sein Magen seltsame Kapriolen schlug. Es war etwas Irritierendes an einem menschlichen Körperteil, der so gänzlich fehl am Platze war. Er lag auf einem schmutzig grauen Stück Schnee und war, abgesehen von den krausen dunklen Haaren, die zum Ellbogen hin dichter,zum Handgelenk hin dünner wurden, vollkommen blass. Er wies tiefe Male von Tierkrallen auf, doch wenig Blut.
    »Sieht ganz so aus, als hätte sich da jemand mit einem Bären angelegt«, sagte Cardinal.
    »Einem Bären?«, fragte Delorme. »Halten die nicht um diese Jahreszeit Winterschlaf?«
    »Das warme Wetter kann sie durcheinander bringen«, erwiderte Cardinal. »Kommt schon mal vor, dass sie aufwachen. Und dann kommt der kleine Hunger. Wird lustig werden, den Kerl da zu identifizieren.«
    »Sehen Sie sich die Haare an seinem Unterarm an«, sagte Delorme und zeigte mit dem Finger darauf. »Sie sind grau.«
    »Hmm. Wir müssen die Vermisstenmeldungen nach älteren Männern durchforsten. Aber erst mal sollten wir das finden, was sonst noch von dem Kerl übrig ist.
    »Sie schaffen das Ding da doch weg, ja?«, sagte Bergeron noch einmal. »Ich merke nämlich, dass ich mit einem Arm auf meinem Rasen nicht gut arbeiten kann.«
     
    Am Ende musste Ivan Bergeron doch noch den ganzen Nachmittag lang mit einem Arm auf seinem Rasen arbeiten. Cardinal hängte sich ans Telefon und besorgte sich so viele Polizisten außer Dienst, wie Mary Flower zusammentrommeln konnte. Dann rief er bei der Provinzpolizei Ontario an und eiste noch einmal dreißig Beamte los. Zuletzt rief er den Leiter der Feuer wehr an und bekam
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