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Blutige Vergeltung

Blutige Vergeltung

Titel: Blutige Vergeltung
Autoren: Lilith Saintcrow
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Randgruppen zu stürzen. In kleinen Schritten, eine nach der anderen, aber das war besser als gar nichts.
    Sie nennen uns Helden, witzelte Michail verächtlich in meinem Kopf. Trottel! Dabei tun wir unsere Arbeit nur aus einem Grund, Milaya, und zwar um zum Schweigen zu bringen die Schreie in unseren eigenen Köpfen.
    Einer der beiden Arbeiter flüsterte dem anderen etwas zu. Der lachte und antwortete mit einem Songfetzen, den er leise sang. Es klang merkwürdig andachtsvoll. Auch wenn es für sie nur ein weiterer Auftrag sein mochte, sprachen sie in Gegenwart der Toten leise.
    „Jill?“ Theron stand erneut hinter mir. „Na komm, ich geb einen aus.“
    „Jäger gehen nicht zu den Totenwachen, Theron.“ Es tut zu sehr weh. Viel zu sehr.
    „Im Mickys. Ich spendier dir auch ein Mittagessen. So wie ich dich kenne, hast du noch nichts gefrühstückt.“
    Ich blieb noch etwa zehn Minuten lang in der Sonne stehen. Sie brauchten nicht lange, um das Grab aufzuschütten und die Erde festzuklopfen. Der Größere von beiden stupste seinem Kollegen mit dem Ellbogen in die Seite, und abermals blickten sie mich an, bevor sie ihre Schaufeln und den Kunstrasen in ihr kleines Golfmobil luden. Dann surrten sie von dannen. Vielleicht hatten sie noch mehr Löcher zu füllen.
    Schlaf gut, Carp. Meine Brust schmerzte von all den Dingen, die ich niemals würde aussprechen können.
    Noch einmal wischte ich mir übers Gesicht. Himmel, Jill. Jetzt reiß dich zusammen! „Viel hatte ich nicht zum Frühstück“, gab ich zu.
    Mannhaft verkniff sich Theron einen Kommentar. „Ich fahre.“

33
     
     
    In einem fabelhaften Farbenspiel aus Orange und Rot ging die Sonne unter. Der Wind drehte, blies jetzt aus Richtung der sengenden Wüste, trug aber einen Hauch von etwas anderem mit sich als Sand und Sommer. Es war eine erste Ahnung von Herbst. Eine Weile würde es noch dauern, bis er kam, aber er war im Anmarsch.
    Ich hatte in Erwägung gezogen, Perry anzurufen. Ich hatte sogar überlegt, ob ich einfach im Monde Nuit einlaufen sollte, um ihn nach Argoth zu fragen. Und danach, was er über Shens kleinen Versuch gewusst hatte, ihren Herrschaftsanspruch über die Stadt auszuweiten.
    Ihn eindringlich zu befragen.
    Am Ende hatte ich ein abgeschnittenes und weggeworfenes Stück einer Metalltonne von der Bahnanlage hinter mein Lagerhaus gezerrt und einen Haufen Grillkohle hineingeschüttet. Die Kohle hatte ich mit Feuerzeugbenzin übergossen und mit einigen Fetzen Altpapier bestückt. Dann hatte ich ein Streichholz entzündet.
    Als die Kohlen so rot glühten wie die Sonne, die allabendlich am Himmel starb, kramte ich in meinen Taschen herum, bis ich den kleinen Plastikbeutel fand. Die purpurnen Kristalle darin waren irgendwie ölig und gaben unter meinen Fingern in ihrer Hülle mit einem leisen Krachen nach. Ich hatte Irene und Fax gründlich durchsucht, aber nur Fax trug eine Probe bei sich und mehrere Zettel voll rätselhafter Notizen.
    An der Schule hatte ich Chemie nie belegt, also hätte es genauso gut Griechisch sein können. Aber sie verbrannten wie ganz gewöhnliches Papier.
    Als sie zu Asche zerfallen waren, warf ich den Plastikbeutel hinterher. Ein kurzer widerlicher Gestank stieg in die Luft, und die Flamme brannte in der Farbe von Shens trüb gelben Augen.
    Eins machte mir noch immer Sorgen. Warum hatte sie nicht mehr Höllenbrütler mitgebracht, um mich fertigzumachen? Andererseits, wenn sie sich bei einem ihrer „Vorgesetzten“ einschleimen wollte, dann hätte sie wohl darauf Acht gegeben, den Erfolg nicht teilen zu müssen. Einer der vielen Nachteile daran, eine Höllenbrut zu sein, ist, dass sie sich gegenseitig nicht über den Weg trauen können – sie vertrauen kaum den Tradern, die ihnen ihre Seele verpfändet haben.
    Was bedeutete, dass vielleicht – nur vielleicht – niemand sonst von diesem kleinen Chemieexperiment wusste.
    Dream hatte er es genannt. Albtraum traf es wohl eher. Und zwar einer der Sorte, aus der es kein Erwachen gab. Kalter Schweiß kitzelte meine Arme und floss mir über den Rücken. Wenn dieses Zeug dafür gesorgt hätte, Argoth einen Festschmaus zu bereiten, hätte er sich bis an die Kiemen mit Tod und Zerstörung vollstopfen können. Er hätte einen ganzen Kontinent in eine leibhaftige Hölle verwandeln können.
    Hey, immerhin hat er genau das schon mal gemacht.
    Das Problem ist nur: Apokalypsen werden praktisch rund um die Uhr angekündigt, und keiner unserer braven Bürger ahnt auch nur im
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