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Blutige Vergeltung

Blutige Vergeltung

Titel: Blutige Vergeltung
Autoren: Lilith Saintcrow
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fertig mit der Welt.“
    Ich roch ihren Schweiß und ihr Elend. Die Hitze war gewaltig, von biblischen Ausmaßen. Und kein Lüftchen regte sich, um die Blase aus Stille zerplatzen zu lassen, die uns einhüllte. Wir standen in der Sonne und blickten einander an.
    Einmal hatte Rosenfeld sich selbst aus dem Krankenhaus entlassen, um in mein Lagerhaus zu marschieren, nur um sich bei mir zu entschuldigen. Nachdem sie der Schattenwelt damals ins Auge geblickt hatte, hatte sie eine weiße Haarsträhne davongetragen, die sie seitdem färbte. Sie hatte zwei Jahre Therapie gebraucht, bis die Albträume nachließen. Deshalb zerfraß sie jetzt die Schuld –, denn sie hatte ins nackte Antlitz der Finsternis gestarrt und es überlebt.
    Und Carp nicht.
    Ich beendete das Schweigen. „Er war ein guter Polizist. Ein verdammt guter Polizist.“
    Nun fing die Luft wieder an, sich zu regen, neckend und tanzend wehte eine Brise den Hang herauf, beladen mit schwerem grünen Regenduft. Sobald die nächste Jahreszeit anbrach, würden wir heftige Gewitterstürme haben. Der Herbst würde mit Nachmittagen voller Regenschauer Einzug halten, genauso der Winter. Würden die Toten, die hier unter der Erde ruhten, irgendetwas davon mitbekommen?
    In der Hölle regnete es nie. Das wusste ich mit Gewissheit.
    „Das war er“, stimmte Rosie mir zu. „Du darfst …“
    Ich darf mir keine Vorwürfe machen? „Ich lasse es, wenn du es lässt.“
    „Abgemacht.“ Sie hielt mir ihre Hand hin. Vorsichtig griff ich danach, und wir schüttelten uns die Hände wie Frauen, die das Händeschütteln von Männern gewohnt waren: ein kurzes Drücken, Augenkontakt und ein leicht verlegenes Lächeln.
    Meine Narbe hämmerte. Sie witterte das Leid, das die Hitze des Nachmittags durchtränkte. Dann ließ ich Rosies warme Fingerlos. Salzige Schweißperlen rannen mir über den Rücken. „Besser, du gehst jetzt. Monty kann vermutlich einen Drink vertragen.“
    Sie stieß ein befangenes Glucksen aus, das wie ein verunglücktes Lachen klang und das sie auf halbem Weg erstickte, als sie auf die frische Wunde im Gras vor ihr starrte. „Ich habe das Gefühl, als sollte ich bei ihm bleiben.“
    „Gleich werden die Arbeiter kommen, um die … um es aufzufüllen. Ich warte solange.“ Das ist mein Job. Und das Wenigste, was ich tun kann.
    Sie nickte knapp, ein Mal, ihr stacheliges Haar hing herab, angeklebt an ihren Kopf. So standen wir noch eine Weile, es gab nichts mehr zu sagen.
    Schließlich ließ sie die Schultern hängen. „Na dann. Ich schätze mal, wir sehen uns?“
    Warum formulierte sie es wie eine Frage? „Hey, ich gehe nirgendwohin.“ Das hier ist meine Stadt. Und wenn ich die anderen korrupten Polizisten erst ausfindig gemacht habe, werde ich auch an ihnen Vergeltung üben. Versprochen.
    „Rosie? Pass auf dich auf.“ Bitte.
    „Klar. Du aber auch, Kismet.“ Wie ein Soldat drehte sie sich um und lief auf Montys Auto zu, rannte sogar. Ich dachte an den Luxus der Klimaanlage im Innern und atmete leise durch den Mund aus, weil meine Nase voll war.
    Langsam fuhr Monty weg. Theron kam zu mir, und ich hörte das Brummen eines Golfautos. Die Totengräber, zwei breit gebaute Latinos in Leinenhosen und blauen Hemden – was sonst, fuhr es mir durch den Kopf. Auf Weiß würde man den Schweiß und die Erde zu deutlich sehen, und das geht ja nicht. Als sie ankamen, warfen sie mir einen unsicheren Blick zu.
    Ich ging in Richtung Asphaltstreifen und blieb dort stehen, um ihnen zuzusehen. Einer der Totengräber hatte sich das Hemd ausgezogen und trug nun nur noch ein schwarzes Unterhemd. Der andere beäugte mich noch immer. Dann fingen sie an, das Grab zuzuschaufeln. Die gewaltige Hitze wogte über dem Asphalt und krallte nach mir in farblosen Wogen. Dennoch schwitzte ich kaum, selbst unter all dem Leder.
    Während ich ihnen so zusah, wie sie mit ihren Schaufeln hantierten, fragte ich mich, ob auch sie über die Grenze gekommen waren. Waren sie in meiner Stadt geboren worden? Hatten sie auch nur die geringste Idee, wen sie da beerdigten, oder war auch das nur ein weiterer Job für sie? Ich fragte mich, ob sie die Tatsache verabscheuten, billiger als eine Maschine zu sein, oder ob sie dankbar für die Arbeit waren.
    Und ich fragte mich, ob sie auch nur annähernd daran interessiert waren, wie hart ich dafür arbeitete, auch sie zu beschützen. Wirtschaftliche Ungerechtigkeit konnte ich nicht geradebiegen, aber ich konnte Höllenbrut davon abhalten, sich auf die Armen und
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