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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag
Autoren: Heinz G. Konsalik
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auf deutschen Boden. Im gleichen Augenblick erreichte die normale sowjetische Streife den Waldrand. Der Unterleutnant, der sie führte, verzichtete auf die übliche Meldung durch das Telefon … er brüllte ein paar Kommandos, riß die Maschinenpistole hoch und drückte ohne Zögern ab.
    Die Geschosse jagten über den Todesstreifen und surrten ein paar Meter neben Muratow und Pilny in den Wald. Auf allen vieren kroch Irena weiter, den schützenden Bäumen entgegen … von Turm 49 und 50 beobachtete man es ganz deutlich … wie ein Riesenmolch sah es aus, der sich träge durch das Gras schlängelt.
    »Genossen!« schrie der Leutnant an der Turmrampe und riß vor Erregung seine Mütze vom Kopf, warf sie vor seine Füße und zertrampelte sie. »Sie wollen flüchten … sie laufen über zu den Kapitalisten. Sie haben uns verraten! Lumpen sind es, stinkende Schweine! Feuer! Alle Gewehre Feuer!«
    Muratow und Pilny hatten sich sofort flach auf den Boden geworfen, als die sowjetische Streife vom gegenüberliegenden Waldrand sie beschoß. Nun krochen sie hintereinander durch die Zaunlücke, mit jagenden Pulsen und schmerzhaft hämmernden Herzen. Die Angst lag wie ein Bleiklumpen auf ihnen, und sie meinten, nur Millimeter kröchen sie voran und die wenigen Meter bis auf deutsches Gebiet seien so unendlich wie die Strecke, die ein Verdurstender zum Bild eines Brunnens kriecht, das eine Fata Morgana ihm vorgaukelt.
    Dann hatten sie den Zaun hinter sich, lagen im Gras und sahen, wie Irena den Waldrand erreichte, sich aufrichtete, die Mütze vom kahlgeschorenen Schädel riß und den Stamm weinend umarmte, an dem sie sich emporgezogen hatte. Sie hörten das sich schnell nähernde Brummen von Motoren und sahen sich mit einem verzerrten Lächeln an.
    Keine Angst, Muratow … das sind keine Panzer mehr … das sind deutsche Streifenwagen … Sie werden uns wegbringen … wir sind in einem anderen Land, Semjon Alexejewitsch … und wir leben … leben …
    Muratow nickte Pilny zu. Schweiß rann ihm über das Gesicht, und als die Maschinengewehre von den Türmen loshämmerten, rollten sie sich auf den Waldrand zu, wo Irena ihnen mit beiden Armen zuwinkte.
    Zehn Meter hinter dem Grenzzaun standen sie auf, drehten sich herum zu den Türmen, nahmen die Mützen ab und schwenkten sie grüßend hinüber zu den sowjetischen Soldaten. Sie sahen, wie die russische Streife im Laufschritt den gleichen Weg nahm, den sie vor ein paar Minuten gegangen waren. Die Maschinengewehre auf den Türmen schwiegen, denn nun war die Patrouille im Schußfeld. Sie sahen auch, daß durch den Wald im Westen zwei Jeeps des Bundesgrenzschutzes herankamen. In halsbrecherischer Fahrt holperten sie über Baumwurzeln und Gestein.
    Der Unterleutnant der sowjetischen Streife blieb kurz vor dem letzten Drahtverhau stehen, keine dreißig Meter von Muratow und Pilny entfernt. Er hatte ein ausdrucksloses, etwas verkniffenes Gesicht, und sie wußten beide in dieser entscheidenden Sekunde, daß alles verloren war.
    »Deckung!« brüllte Pilny noch. Aber es war zu spät. Aus den Hüften heraus schossen die Russen, die Kugeln schlugen in Pilny und Muratow ein und rissen sie herum, wirbelten sie um die eigene Achse, als seien sie ein Kreisel … dann fielen sie hin, nebeneinander, mit zurückgeworfenen Köpfen, den Mund zu einem Schrei geöffnet, den niemand mehr hörte und der in ihnen blieb und mit ihrer Brust durchlöchert wurde.
    Ebenso plötzlich, wie die Maschinenpistolen rasselten, verstummte das Schießen auch wieder. Die sowjetische Streife rannte weiter, erreichte den Zaun und schickte sich an, durch die Lücke auf deutsches Gebiet zu stürmen.
    Irena Dolgan kniete hinter dem schützenden Baumstamm und begriff noch nicht, was geschehen war. Wer konnte das auch begreifen? Sie waren nun in Deutschland, sie hatten endlich die Freiheit erreicht, hinter ihr hielten die beiden Jeeps des Bundesgrenzschutzes, die Männer rissen ihre Schnellfeuergewehre aus den Haltern und rannten an ihr vorbei zum Zaun.
    »Steht auf!« rief Irena und umklammerte den Baum. »Karel … Semjon … steht auf!«
    Und dann sah sie, wie drei Männer vom Bundesgrenzschutz sich vor die im Gras liegenden Körper stellten und die anderen weiterrannten zum Zaun, durch den die sowjetische Streife geschlüpft war und nun auf deutschem Boden stand, die Maschinenpistolen im Anschlag. Zwei Meter voreinander hielten sie an und standen sich gegenüber … fünf Russen und vier Deutsche.
    Erst da begriff sie. Erst
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