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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag
Autoren: Heinz G. Konsalik
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jetzt, als man die schlaffen Körper Muratows und Pilnys aufhob, Muratow wieder ins Gras fallen ließ und drei Bundesgrenzschutzsoldaten Pilny an den Armen und Beinen hochnahmen und zum Waldrand trugen, wußte sie, daß ihre Welt zerbrochen war.
    Es war kein Schrei mehr, den sie ausstieß … es war das Aufreißen eines Himmels; es war ein Ton, vor dem selbst Gott frieren mußte.
    »Mörder!« schrie sie. »Mörder! Feige Mörder!«
    Der Unterleutnant nickte seinen Soldaten zu, wandte sich um und ging mit einer bewußt lässigen Haltung zum Zaun. Dort gab er einen halblauten Befehl, die Rotarmisten hoben das Zaunstück wieder in die Halterung, grinsten die stummen, mit bleichen, verzerrten Gesichtern dastehenden Deutschen an, warfen die Waffen über den Rücken und marschierten durch die Minengasse zurück zum zweiten Hindernis. Dort blieben sie stehen, drehten sich um und lachten laut hinüber.
    Drei Männer vom Bundesgrenzschutz trugen unterdessen den Körper Muratows zu den am Waldrand aufgefahrenen Wagen.
    »Er ist tot …« sagte einer, der ihn unter die Schultern gefaßt hatte. »Verdammt, sie haben ein Sieb aus ihm gemacht.«
    Im Wagen saß Irena Dolgan und hielt Karels Hände. Er lebte noch, atmete röchelnd und seine Lider zitterten. Vorsichtig fuhr der Jeep an – über den holprigen Pfad, der Straße zu. Als sie erreicht war, jagte er zum nächsten Ort. Über Funk alarmierte der Oberleutnant einen Sanitätswagen und einen Arzt.
    Blutkonserven … bringt Blutkonserven mit … Plasma … noch lebt er … und Sauerstoff, eine Maske mit Sauerstoff … schnell … schnell …
    Während der Wagen in rasender Fahrt über die Chaussee flog, zog man Muratow die zerfetzte Uniform aus. Er lag neben zwei Jeeps, mit weit aufgerissenen Augen, in denen noch ein ungläubiges Staunen war. Eine Frage schien in ihnen zu liegen, und ein Feldwebel des Bundesgrenzschutzes drückte ihm mit zitternden Lippen die Lider zu.
    »Es ist zum Kotzen«, sagte er leise und merkte nicht, daß das Funksprechgerät noch immer eingeschaltet war und die Männer in der Zentrale alles mithörten. »Dastehen müssen und nichts tun … wie beschissen ist doch alles! Die da drüben können mit uns machen, was sie wollen …«
    Zwanzig Minuten raste der Bundesgrenzschutz-Wagen über die Straße, bis mit heulender Sirene und drehendem Blaulicht das Sanitätsauto auftauchte.
    Irena sah auf. Zwischen ihren Händen lagen kalt und bleich die Finger Pilnys. Er hatte den Kopf zur Seite gedreht, als wollte er sie anblicken. Seine Augen standen offen, aber sie hatten einen stumpfen Glanz und weite, auf das Licht nicht mehr reagierende Pupillen.
    Da legte sie den Kopf auf seine zerschossene Brust, umarmte ihn und drückte ihn fest an sich.
    »Mein Liebling –« sagte sie. »Mein Liebling … ich nehme dich mit … ich nehme dich mit … o mein Liebling …«
    Drei Mann waren nötig, sie von Pilny loszureißen. Sie trugen den Toten hinüber in das Sanitätsauto. Dann stand Irena am Straßenrand und blickte dem sich schnell entfernenden Wagen nach, ein Arzt stützte sie und sprach auf sie ein, aber sie hörte weder seine Worte noch begriff sie ihren Sinn.
    »Kommen Sie«, sagte der Arzt endlich und führte sie so vorsichtig, als sei sie aus dünnem Glas, zu dem wartenden Jeep. »Kommen Sie … nun sind Sie in Sicherheit. Nun ist alles vorbei.«
    »Vorbei. Ja, vorbei …« Irena Dolgan starrte ihn an und blickte dann zurück auf den Wald, hinter dem die Grenze lag, der Todesstreifen, und dahinter das Land, in dem sie glücklich gewesen war mit Karel Pilny. »Vorbei –« sagte sie leise, setzte sich, warf den Kopf weit in den Nacken und schloß die brennenden Augen. »Alles ist vorbei … ich möchte nach Hause. Bringt mich weg … weit weg … Alles, alles ist vorbei –«
    *
    An diesem Tage brachte der tschechoslowakische Staatsrundfunk folgende Meldung:
    In einem Waldstück zwischen Prestice und Pilsen wurde der völlig verstümmelte Körper eines jungen Mannes gefunden. Eine Identifizierung des Toten wird bei dem grauenhaften Zustand der Leiche wohl unmöglich sein …
    Und in den Morgenzeitungen des nächsten Tages las man, was nur wenigen interessant schien, und das waren kaum mehr, als in ein normales Zimmer gingen:
    Gestern abend wurde der sowjetische Oberst Andrej Mironowitsch Tschernowskij in seinem Hotelzimmer in Prag von der sowjetischen Staatsangehörigen Valentina Konstantinowna Kysaskaja durch zahlreiche Messerstiche in seinem Bett ermordet.
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