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Blutgold

Blutgold

Titel: Blutgold
Autoren: B McGilloway
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breites
Fächerspektrum an, darunter auch europäische Sprachen, daher war ich
zuversichtlich, dass mir dort jemand dabei würde helfen können, die Sprache auf
der Gebetskarte zu bestimmen. Das wäre immerhin ein erster Schritt in Richtung
Identifizierung.
    Nachdem
ich mich am Empfang angemeldet hatte, führte eine der Sekretärinnen mich zum
Büro der Leiterin des Fachbereichs Sprachen, Marie Collins, einer kleinen Frau
mittleren Alters.
    Sie kam um
ihren Schreibtisch herum und lud mich ein, in einem der beiden Sessel Platz zu
nehmen.
    »Ich hoffe, ich bin nicht in Schwierigkeiten, Inspektor.« Sie lächelte
freundlich.
    »Ganz und gar nicht. Ich wollte Sie nur fragen, ob Sie mir sagen
können, was für eine Sprache das ist.« Ich reichte ihr die Karte.
    »Das sind Buchstaben aus dem kyrillischen Alphabet«, sagte sie, nachdem
sie die ersten Zeilen gelesen hatte. »Ich würde sagen, eine kaukasische
Sprache, möglicherweise Tschetschenisch. Wo haben Sie die her?«
    »Sie ist Teil einer laufenden Ermittlung«, erwiderte ich.
    Ihre Augen weiteten sich flüchtig, als hätte ich vertrauliche
Informationen preisgegeben. »Es ist ein Gebet zum Heiligen Judas«, erklärte
sie, »dem Schutzpatron der verzweifelten und hoffnungslosen Fälle.«
    »Verstehe«, sagte ich.
    »Ich erwähne das, weil die Tschetschenen zum größten Teil Muslime sind.
Ziemlich selten, dass man auf einen tschetschenischen Katholiken stößt.«
    Ich nickte, unsicher, wie ich die Bedeutung dieser Information
einstufen sollte, doch ich wollte die Frau auch nicht enttäuschen.
Offensichtlich freute sie sich, damit aufwarten zu können.
    »Also, kann ich Ihnen noch irgendwie helfen?«, fragte sie.
    »Können Sie mir den Namen des Mannes sagen, der die hier bei sich
trug?«, witzelte ich. »Oder wo ich seine Familie finde?«
    »Versuchen Sie’s in der Beratungsstelle für Wanderarbeiter«, antwortete
sie ernsthaft. »Allerdings gibt es natürlich ein Problem: Falls er wirklich
Tschetschene ist, wird er illegal hier sein.«
    Der
Mann, mit dem ich in der Beratungsstelle für Wanderarbeiter sprach – Pol –, war
Pole. Er trug eine dunkelblaue Röhrenjeans und ein weites irisches
Fußballtrikot. Sein schwarzes Haar war kurz rasiert, sodass man eine gezackte
Narbe an der rechten Seite seines Schädels sehen konnte, die sich von der
Schläfe bis knapp unters Ohr zog.
    Er las die
Gebetskarte rasch durch und zuckte unverbindlich die Achseln, als ich sagte,
ich würde es für Tschetschenisch halten.
    »Das spreche ich nicht«, erklärte er. Wo ich mit der Suche nach der
Familie des Mannes beginnen könnte, konnte er mir auch nicht sagen.
    »Wenn er gestohlene Papiere benutzt und Tschetschene ist, dann ist er
ein illegaler Einwanderer. Um ehrlich zu sein, die Illegalen kommen eigentlich
nicht hierher; die Migranten, die zu uns kommen, sind legal hier und suchen
nach einer legalen Arbeit.«
    »Irgendeine Idee, wo ich mit der Suche nach Informationen über ihn
anfangen könnte?«
    »Eine Menge Immigranten erledigen ihre Einkäufe auf den örtlichen
Trödelmärkten. Auf der Main Street hat ein neuer polnischer Lebensmittelladen
eröffnet; vielleicht kann man Ihnen da helfen. In der Weekly
News gibt es jetzt eine wöchentliche polnische Kolumne – vielleicht
geben Sie da was bekannt. Einmal im Monat ist in der Kathedrale eine Messe für
Migranten. Und wir können natürlich auch einen Aushang machen.«
    Ich dankte ihm und wandte mich zum Gehen, überlegte es mir aber noch
einmal.
    »Sie müssen doch etwas über die illegalen Einwanderer wissen –
inoffiziell. Wo sie wohnen, wie sie überhaupt ins Land kommen.«
    Pol hielt meinem Blick stand. »Sie werden von irischen Verbrechern
eingeschleust, die jedem von ihnen mehrere Tausend Euro abknöpfen. Die
schleusen sie in den Laderäumen von Lastwagen ein. Statten sie mit gestohlenen
Papieren aus, kassieren horrende Mieten von ihnen und zwingen sie dann zu
schlecht bezahlter Arbeit. Zur Polizei können die Illegalen nicht gehen, sonst
werden sie ausgewiesen. Bei den Leuten, die sie eingeschleust haben, können sie
sich nicht beschweren, sonst werden sie umgebracht.«
    »Warum kommen sie dann überhaupt her?«
    »Weil es besser ist als das, was sie hinter sich lassen. Der keltische
Tiger ist überall in Europa bekannt. Jeder will was vom Wohlstand ab. Manche
von uns können legal ins Land kommen – Menschen aus anderen Ländern haben noch
nicht so viel Glück. In diesem Fall vermute ich, er ist vor dem Morden
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