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Blutgold

Blutgold

Titel: Blutgold
Autoren: B McGilloway
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mit feuchten Augen zu, ihre Finger
spielten mit der Halskette, die Weston mir erst wenige Wochen zuvor geschenkt
hatte. Als Natalia geendet hatte, umarmten die beiden einander wie alte
Freundinnen.
    »Passen Sie auf sich auf«, sagte Debbie und hielt Natalias Hand.
    »Das alles tut mir leid«, sagte ich. Karol wollte übersetzen, doch
Natalia hob die Hand und brachte uns beide zum Schweigen. Rasch sagte sie etwas
auf Tschetschenisch, dann drehte sie sich um und sah Karol auffordernd an.
    »Entschuldigen Sie sich nicht«, übersetzte er. »Sie haben mir Ihr Haus
geöffnet. Sie haben mich freundlich aufgenommen.«
    Doch ihre Worte konnten meine Schuldgefühle ihr gegenüber nicht
lindern.
    »Ich habe mein Bestes getan«, sagte ich, und auch meine Augen wurden
feucht. »Es tut mir so leid.«
    »Nicht leid tun«, sagte Natalia. »Familie. Danke.«
    »Ich …«, setzte ich erneut an, doch mir wollte keine Erwiderung
einfallen, die ihren wenigen, aber vielsagenden Worten ebenbürtig gewesen wäre.
»Danke«, sagte ich schließlich ebenfalls.
    Dann meldete sich Karol in eigener Sache zu Wort. »Ich gehe mit ihr.«
    »Kommen Sie zurück?«, fragte ich, obwohl ich die Antwort bereits
kannte.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Ich bleibe bei Natalia, bis
sie wieder Fuß gefasst hat. Dann sehen wir weiter. Wer weiß?«
    »Sind Sie beide …«, doch Debbie stieß mich am Arm und verdrehte die
Augen.
    Natalia lachte. »Freunde«, sagte sie und lächelte Karol liebevoll an,
auf eine Weise, die ihre Antwort wieder infrage stellte. Dann beugte sie sich
hinab und küsste zuerst Penny und dann Shane auf die Stirn.
    Karol ging ebenfalls zu den Kindern, bückte sich und streckte ihnen die
Hand hin. Penny zog ihre Hand fort und wich ein Stück zurück.
    »Penny«, sagte Debbie mahnend.
    Karol lächelte sie sanft an. »Ich muss mich entschuldigen, Miss Devlin.
Ich habe böse Sachen zu deinem Daddy gesagt, als wir uns in dem Laden trafen.
Ich habe mich geirrt. Er ist ein feiner Mensch.«
    Penny sah zu mir hoch und dann wieder zu Karol. Schließlich ergriff sie
doch noch seine Hand.
    »Er ist ein feiner Mensch«, wiederholte er, und sie schenkte ihm dafür
ein Lächeln.
    Als wir uns verabschiedet hatten, stiegen Karol und Natalia in sein
Auto, und er ließ den Motor an. Debbie stand neben mir und hielt meine Hand.
Unvermittelt ließ sie mich los und rannte zum Auto. An der Beifahrerseite
beugte sie sich zum Fenster hinab und klopfte an die Scheibe.
    Natalia kurbelte das Fenster herunter und lächelte verunsichert. Debbie
öffnete den Verschluss ihrer Halskette und reichte sie Natalia durchs Fenster.
    »Für Sie«, sagte sie. »Gott segne Sie beide.«
    Dann klopfte sie kurz aufs Wagendach und kam zu mir zurück. Sie stellte
sich neben mich und nahm wieder meine Hand, und diese eine Geste gab mir das
Gefühl, dass ich mir mit der Zeit vielleicht doch würde vergeben können.
    Eines
Morgens fuhr ich nach einem Zwischenstopp auf der Wache hinaus zum Carrowcreel.
Als ich unter den Wipfeln der Kiefern anhielt, fuhren mehrere Autos an mir
vorbei.
    Mit einem
Blumenstrauß ging ich flussaufwärts zu der Stelle, an der Helen Gorman
gestorben war. Ich stellte mich an den Fluss und betete darum, dass ihre Seele
in Frieden ruhen möge. Und ich möchte gerne glauben, dass meine Gebete dort in
der Stille des Waldes, während der Fluss gedämpft wispernd vorbeifloss, erhört
wurden.
    Auf dem Rückweg zum Auto entdeckte ich Ted Coyle, der mit einem Sieb in
der Hand flussaufwärts watete. Er holte eine Handvoll Schlick aus dem Wasser
und ließ ihn ins Sieb fallen. Dann hielt er das Sieb ins Wasser, bis die Erde
herausgespült war. Er inspizierte, was übrig geblieben war, drehte das Sieb um
und schüttete den Inhalt zurück in den Fluss. Als er mich bemerkte, watete er
auf mich zu.
    »Sie gehen also nicht fort?«, fragte ich und nickte in Richtung des
beinahe verlassenen Parkplatzes – nur mein Wagen und sein Campingbus waren
übrig.
    »Nein«, sagte er gedehnt. »Als Erster hier, als Letzter fort.«
    »Können Sie denn irgendwohin?«
    Er sah auf den Fluss, dann wandte er das Gesicht zum Himmel. »Wo sollte
man denn sonst hin? Wo könnte es schöner sein als hier?«
    Ich zündete mir eine Zigarette an. »Sie können nicht für immer hier
bleiben, Mr Coyle. Fahren Sie nach Hause. Hier gibt es nichts mehr zu finden.
Ihre Kinder müssen Sie doch vermissen.«
    Mit zusammengekniffenen Augen sah er mich an. »Vermutlich schon. Ich
bin bloß … Ich
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