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Blutgold

Blutgold

Titel: Blutgold
Autoren: B McGilloway
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dauerte immer noch einige
Sekunden, bis ich erkannte, dass es tatsächlich Vincent Morrison war.
    »Dachte ich’s mir doch, dass Sie es sind«, sagte er und zwinkerte mir
verschwörerisch zu.
    Zuerst versuchte ich ihn zu ignorieren, und zog tief an meiner
Zigarette, um sie schneller zu Ende zu rauchen.
    Er sagte etwas zu seiner Frau, löste sich dann von seiner Familie und
wandte sich in meine Richtung. Die Tochter klammerte sich an sein Bein, doch er
machte sich los und kam herüber.
    »Schaulustig?«
    »Ich will zusehen, wenn Sie bekommen, was Sie verdienen«, sagte ich.
Mir war bewusst, dass seine Frau mich unverhohlen feindselig anstarrte. Das
ältere Kind, ein Junge, kratzte mit der Schuhspitze am Bordstein entlang, die
Hände in den Taschen vergraben.
    Morrison legte den Kopf erst nach links und dann nach rechts, als
dächte er gründlich über meine Worte nach. »Was ich verdiene? Ja, vielleicht
stimmt das. Andererseits hätte es viel schlimmer kommen können, wie Sie ja
wissen.«
    »Das wäre nur gerecht gewesen«, gab ich zurück. »Aber das kommt noch.«
    »Nein, das wird es nicht«, erwiderte er scharf, was so gar nicht zu
seiner anfänglichen Frotzelei passte.
    »Schämen Sie sich denn nicht? Currans Kinder haben jetzt keinen Vater
mehr. Wofür?«
    »Sie sind der Einzige, der das beantworten kann.«
    »Wissen sie , was Sie tun? Ihr Sohn? Weiß er,
dass sein Vater ein Killer ist?«
    »Und Ihrer? Der Mann, der Barry Ford erschossen hat. Gehen Sie nach
Hause und erzählen Ihren Kindern, was Sie alles vermasselt haben?« Er
schnaubte. »Hab ich mir gedacht. Ich sorge nur für meine Familie – genau wie
Sie.«
    »Sie haben das Leben vieler Menschen zerstört. Sie verdienen jede
Strafe, die man über Sie verhängt.«
    Er machte seine Zigarette aus und trat so dicht an mich heran, dass ich
den Zigarettendunst in seinem Atem roch.
    »Seien Sie doch nicht so scheißnaiv. Wissen Sie, wie viel ich bekommen
werde? Sechs Monate, höchstens ein Jahr. Sie haben mir einen Gefallen getan.
Der Staat hat meine Laster beschlagnahmt. Ich bin bankrott, weil ich den Zoll
auf den Scheißtreibstoff nachzahlen musste. Ich sitze sechs Monate. Aber das
ist auch alles. Mehr haben Sie nicht erreicht. Ein Jahr nach meiner Entlassung
werde ich das Doppelte dessen verdient haben, was man mir jetzt abgenommen hat,
und weder Sie noch sonst jemand wird dagegen auch nur irgendetwas tun können.«
    Ich begegnete seinem wütenden Blick und bemühte mich um eine
unnachgiebige Miene, doch was er gesagt hatte, stimmte. Trotz all dem, was
Morrison getan hatte, war das Schlimmste, was ihm passieren konnte, eine
sechsmonatige Haftstrafe. Er hatte sorgfältig hinter sich aufgeräumt; es gab
keine Zeugen, die ihn hätten belasten können, sodass niemand noch irgendetwas
beweisen konnte. Und was er sagte, erschreckte mich. Die meisten Kriminellen
waren dumm – deshalb wurden sie gefasst. Morrison hingegen wurde immer
raffinierter.
    »Sechs Monate«, wiederholte er. »Ich werde Sie besuchen, wenn ich
rauskomme. Wir sprechen uns noch.«
    »Tun Sie das«, sagte ich. »Ich werde Sie erwarten.«
    »Das bezweifle ich nicht.« Er lächelte breit. Dann zwinkerte er mir
erneut zu, schnalzte dabei mit der Zunge, steckte die Hände in die Taschen und
kehrte zu seiner Familie zurück.
    Eine Viertelstunde später beobachtete ich, wie er seine Frau, seinen
Sohn und seine Tochter umarmte und dann abgeführt wurde, um eine
vierzehnmonatige Haftstrafe wegen Treibstoffschmuggels und Zollhinterziehung
anzutreten. Bei guter Führung würde er nach der Hälfte der Zeit entlassen
werden.
    Als seine Familie den Gerichtssaal verließ, drehte der Sohn sich um und
starrte mich wütend an. Und dann schrie er nach seinem Vater.
    Anfang
letzter Woche besuchten uns Natalia und Karol. Nachdem Strandmann ins
Krankenhaus eingeliefert worden und der Fall um den Menschenschmuggel geplatzt
war, hatte man Natalia mitgeteilt, ihre Zeugenaussage werde nicht mehr
benötigt. Vier Tage später hatte sie einen Brief erhalten, in dem ihr
angekündigt wurde, als illegale Einwanderin werde sie Ende des Monats nach
Tschetschenien abgeschoben.
    Der Tag
ihres Besuchs war kühl, die Luft roch durchdringend nach Fäulnis. Die Äste
unseres Apfelbaums vor dem Haus bogen sich unter der Last der verfaulenden
herbstlichen Früchte. Natalia stand neben Karol vor unserem Haus und dankte
Debbie und mir in ihrem besten gebrochenen Englisch für unsere Gastfreundschaft
und Freundlichkeit. Debbie hörte ihr
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