Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blut und Sünde

Blut und Sünde

Titel: Blut und Sünde
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
lullte sie ein. Es gelang ihr nicht mehr, die Gedanken scharf und klar zu fassen. Sie wollten wegtreiben, ohne sich wieder einfangen lassen zu können.
    Der Blick auf die Fenster. Schwaches Licht nur glitt vor den Scheiben entlang. Es war kaum in der Lage, die Dunkelheit zu erhellen. Draußen bewegte sich ebenfalls nichts. Bäume gab es auf dem Brachgelände nicht mehr. So malten sich auch keine Kronen ab, die vom Wind hätten bewegt und deren Blätter hätten geschüttelt werden können.
    Und doch war es nicht ruhig. Vor dem Fenster sah sie etwas Dunkles. Einen Schatten, der sich wie ein großer Vogel von einer Seite zur anderen bewegte, dabei aber immer in Höhe des Fensters blieb.
    Sie hielt den Atem an. Florence wusste, dass es nicht normal war. Schon oft hatte sie am Abend hier gesessen und auf die Scheibe geschaut, aber was sie jetzt sah, war ihr noch nie aufgefallen. Sie rechnete damit, Besuch zu erhalten. Von einem mächtigen Vogel oder was auch immer. Einer, der sich verirrt hatte und eigentlich in einem Freigehege besser aufgehoben gewesen wäre.
    Der ›Vogel‹ flog nicht weg. Er blieb nahe der beiden Fenster. War mal hinter dem einen besser zu sehen, mal hinter dem anderen. Je nachdem, wie er sich bewegte. Plötzlich stand er still. Genau hinter der von Florence aus gesehen linken Scheibe. Er malte sich dort ab, aber sie war nicht in der Lage, alles genau zu sehen.
    Sie wunderte sich sowieso darüber, dass dieses Wesen sich so starr in der Luft aufhalten konnte, als wäre es mitten in der Luft festgebunden worden.
    Aber er trat deutlicher hervor. War es ein Kopf? Vielleicht ein Gesicht? Nicht rund, sondern eher aus Ecken bestehend. Irgend etwas war es schon, und sie bildete es sich auch nicht ein, denn dazu reichte die Phantasie doch noch nicht aus.
    Das Rote. Zwei Punkte! Rechts und links. Dazwischen lag eine schwarze Fläche. Mit den roten Punkten, die für Florence die Farbe von Blut aufwiesen, kam sie nicht zurecht. Noch immer dachte sie an einen Vogel, dessen Augen diese Farbe aus welchen Gründen auch immer angenommen hatten.
    Stillstand, keine Bewegung. Ebenso wie bei Florence. Sie sagte und tat nichts. Nur dieses Starren nach vorn. Direkt hinein in das Gesicht der Gestalt, deren Erscheinen für sie unbegreiflich war. Kein Mensch, kein Vogel, kein…
    »Öffne das Fenster!«
    Eine Stimme. Von einem Fremden gesprochen, aber deutlich zu hören und auch wieder nicht normal zu hören, denn sie vernahm die Botschaft nur in ihrem Kopf.
    Plötzlich war sie zu Stein geworden. Florence wollte gern an eine Täuschung glauben. Sie dachte auch daran, aufzustehen und wegzurennen, doch das ließ der andere nicht zu, denn er wiederholte seinen verdammten Befehl, und Florence Turner wusste nun mit Sicherheit, dass sie sich nicht geirrt hatte. Der sprach auf eine besondere Art und Weise mit ihr. Der Jemand beherrschte Kräfte, von denen sie bisher höchstens etwas gelesen hatte.
    Die junge Frau strengte ihre Augen an, um mehr erkennen zu können. Bessere Umrisse. Die Augen deutlicher und alles, was sich darunter abmalte. Auch das war nicht möglich. Nur diesen ungewöhnlichen Umriss sah sie, der einem Gesicht nahe kam.
    Wie unter dem berühmten Hieb mit der Peitsche zuckte sie zusammen, als sie das Kratzen außen am Fenster hörte. Das waren keine normalen Finger, die über die Scheiben hinwegglitten. Es musste sich schon um Krallen handeln, als wollten diese den Dreck vom Glas außen wegkratzen.
    »Komm her!«
    Da war die Stimme wieder. Diesmal noch schärfer und befehlsgewohnter. Mit beiden Händen umklammerte Florence die Lehnen an den Seiten, doch sie wusste zugleich, dass es nichts brachte.
    Auch sie würden ihr keinen Halt mehr geben.
    Sie atmete tief durch - und stand auf! Im ersten Moment erschrak sie sich über sich selbst, als sie sich vor dem Sessel stehen sah.
    Ich bin das nicht! hämmerte sie sich ein. Nein, ich bin das nicht, verdammt!
    Trotzdem wusste sie genau, dass sie es war. Sie und keine andere stand vor dem Sessel und nicht ihr Geist. Sie starrte auf das Fenster. Auch wenn sie es gewollt hätte, es wäre ihr nicht möglich gewesen, woanders hinzuschauen.
    Dieses dunkle Viereck mit dem Unbekannten dahinter war und blieb das Ziel. Er war der Magnet, sie das Stück Eisen, das von ihm angezogen wurde. Ohne dass es ihr richtig bewusst wurde, setzte sie ein Bein vor das andere und ging auf das dunkle Viereck zu. Wie oft hatte sie das Fenster geöffnet und hinausgeschaut. Wie oft hatte sie sich über
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher