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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber
Autoren: Sabine Ebert
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auf.«
    »Vielleicht«, meinte Ulrich mit Blick auf Friedrich nachdenklich. »Werden die Fürsten zusehen, wie der von ihnen gewählte König die Waffen gegen die eigenen Vasallen, das eigene Volk richtet? Wenn er
Euch
Titel, Land und Leben nehmen will, könnte er das ebenso mit jedem von ihnen tun.«
    Der Markgraf schüttelte kaum erkennbar den Kopf. »In einem habt Ihr beide recht: Jetzt ist der Krieg unausweichlich. Adolf wird sein Heer von Plünderern und Brandstiftern in die Mark Meißen schicken. Und als Erstes werden sie versuchen, Freiberg zu erobern. Der König will das Silber, damit wäre er viele Sorgen los.«
    Friedrich sah nun direkt zu Ulrich. »Aber es besteht keine Hoffnung auf Hilfe. Mag auch Albrecht von Habsburg Anspruch auf den Thron erheben – er wird unter den Fürsten keinen offenen Verbündeten für eine neue Königswahl finden. Noch nicht.«
    Dann wandte sich Friedrich dem Hersfelder zu. »Reinhard, reitet los zu Niklas von Haubitz; er soll seine Truppen, so schnell es geht, nach Freiberg führen, um die Stadt zu verteidigen. Ulrich, Ihr reitet dorthin und warnt sie. Ich vertraue Euch das Kommando über Burg Freiheitsstein an. Wir brauchen das Silber, um Truppen aufzustellen, mit denen wir gegen das königliche Heer antreten. Sonst werden viele Menschen sterben. Das wäre das Ende des Hauses Wettin und das Ende der Hoffnung auf Frieden in der Mark.«

Freiberg, Januar 1296
    V erzweifelt kämpfte sich die schmale Gestalt durch den Schnee, stemmte sich mit letzter Kraft gegen den eisigen Wind, der durch die Überreste des zerrissenen Kleides fuhr, die Fetzen flattern ließ und Eiskörner gegen die nackte Haut peitschte.
    Noch ein Schritt. Und noch einer. Wie viele mochten es sein bis zum rettenden Stadttor? Hundert? Zweihundert? Schon waren in der Dämmerung die dunklen Konturen der Wehrtürme zu sehen, zeichnete sich vage durch das Schneetreiben die starke Stadtmauer ab, der schützende Wall um Freiberg.
    Etwas rann ihr die Beine hinab. Sie war zu schwach, um nachzusehen, ob es Blut war. Ihr Körper verwehrte jede andere Bewegung als das dumpfe Vorwärtsgehen. Und ihr Bewusstsein weigerte sich, durch den Anblick noch einmal die schrecklichen Erinnerungen heraufzubeschwören, die Todesschreie und die rohe Gewalt.
    Ich muss weiter, dachte sie verzweifelt. Denn nach dem Sterben wird es keine Erlösung für mich geben, nur die schlimmsten Qualen der Hölle. Auch wenn ich mich gewehrt habe und Todesangst statt Wollust empfand – es war Sünde, und kein Priester wird mich davon freisprechen.
    Noch ein Schritt. Und noch einer.
    Als hätten sich die Elemente gegen ihr letztes bisschen Lebenswillen verschworen, heulte der Wind stärker auf, fegte Wehen wie feine Schleier über das freie Feld vor ihr, ließ Wirbel kreiseln, nahm ihr den Atem und die Sicht auf die rettenden Mauern.
    Sie wusste, wenn sie jetzt der Schwäche nachgab und sich in den Schnee sinken ließ, würde sie nie wieder aufstehen.
    Also setzte sie trotzig einen Fuß vor den anderen, eine tiefe Spur durch den Schnee furchend, die der Sturm schon nach ein paar Schritten wieder verwehte und zu einer kaum sichtbaren Mulde verharmloste.
    Sie wollte leben. Sie musste die anderen warnen.
    Für einen Augenblick verharrte sie mitten in der Bewegung und lauschte. Täuschte sie der heulende Wind, oder waren das wirklich schon die Glocken, die ankündigten, dass die Tore zur Stadt geschlossen würden?
    Der Verstand sagte ihr: Du kommst zu spät. Sie werden die Stadt schließen, und du wirst vor dem Tor im Schnee erfrieren. Aber schneller gehen konnte sie nicht. Also setzte sie weiter einen Schritt vor den anderen in der irrsinnigen Hoffnung, man würde sie doch erhören und einlassen.
     
    Sorgfältig verschloss Jan, einer der jungen Burschen von Freibergs Wachmannschaft, den seine Kameraden manchmal Waghals und manchmal Sturkopf riefen, das Peterstor. Gleich würde einer der Ratsherren kommen, heute wohl Conrad Marsilius, der Stadtphysicus, und den großen Schlüssel an sich nehmen. Kein Störenfried sollte die Bürger aus ihrem wohlverdienten Schlaf aufwecken, kein Gesindel sie des Nachts belästigen. Und morgen, nach Tagesanbruch, würde man bei Licht besehen können, wer Einlass begehrte.
    »Gott sei gepriesen, wieder ein Tag, ohne dass die Truppen des Königs hier angerückt sind«, meinte neben ihm Hartmann, ein Blaufärber, der für diese Nacht zum Wachdienst am Peterstor eingeteilt war und dessen Name in krassem Widerspruch zu der
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