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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber
Autoren: Sabine Ebert
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schmächtigen Gestalt mit dem ängstlichen Wesen stand.
    Der Handwerker rieb sich vor Kälte oder aus Erleichterung die von der Arbeit verfärbten Hände. »Wer weiß, ob sie überhaupt hierherkommen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass bei diesem strengen Winter jemand in den Krieg zieht.«
    Darauf würde ich nicht wetten, dachte Jan und fuhr sich mit der Rechten durch den hellen Lockenschopf, wie er es meistens unbewusst tat, wenn ihn etwas beschäftigte. Doch er schwieg, um den Blaufärber, der sich vor seinem eigenen Schatten zu fürchten schien, nicht noch mehr zu verängstigen.
    »Bei dem Wetter jagt man doch keinen Hund vor die Tür«, plapperte der Schmächtige weiter. »Schnell, zurück ins Wachhaus, ans Feuer!«
    Wortlos ging Jan voran. Der Blaufärber hätte ja nicht mitkommen müssen; das Tor hätte er auch allein verschließen können. Aber er hatte förmlich darauf bestanden, mit stolzgeschwellter Brust, so etwas Bedeutendes tun zu können oder zumindest dabei zu sein. Drinnen im Wachhaus würden ihn seine Kameraden hoffentlich vom Geschwätz des Färbers befreien, damit er sich seinen eigenen Gedanken hingeben konnte.
    Die Königlichen waren auch heute nicht gekommen. Aber ebenso wenig die Verstärkung, die jener Ritter von Maltitz versprochen hatte, der im Auftrag des Markgrafen das Kommando über die Burg übernommen hatte. Wo, um alles in der Welt, blieb nur Niklas von Haubitz mit seinem sehnlich erwarteten Heer? Oder waren beide Streitmächte schon aufeinandergestoßen, so dass der Stadt Belagerung und Krieg erspart blieben? Zumindest, falls Niklas gesiegt hatte. Sonst wären sie ohne Rettung der rheinischen Söldnerschar des Königs ausgeliefert, über die die Leute die wildesten Geschichten erzählten, von Sengen und Morden, Plündern und Brandschatzen.
    Die Männer in der Wachstube – je zur Hälfte ausgebildete Wachen und Stadtbürger, die reihum zu nächtlichen Diensten eingeteilt waren – sahen kaum auf, als die beiden den Raum wieder betraten. Angesichts der Kriegsgefahr waren die Wachmannschaften verstärkt und alle neununddreißig Türme bemannt worden.
    »Man möchte wirklich keinen Hund vor die Tür jagen bei dem Wetter«, meinte nun auch Herrmann, der älteste und erfahrenste unter den Wachleuten am Peterstor.
    Jan trat ans Feuer und hielt die klammen Hände über die Flammen. Gleich würde er wieder in die Kälte müssen, den Turm hinauf, um Ausschau zu halten. Bei dem Schneetreiben und in der einsetzenden Nacht würde zwar nicht viel zu sehen sein, aber die Ankunft eines starken Heeres konnte ihm nicht entgehen. Wer weiß, ob der König seine Truppen nicht sogar in der Dunkelheit gegen die Stadt schickte, deren Silberreichtum ihn locken musste wie Honig den Bären.
    Er sandte noch einen bedauernden Blick auf das Feuer, dann ging er zur Treppe, die im Innern des Turmes hinaufführte.
    »Ich komme mit«, verkündete der Blaufärber seufzend und kam damit Herrmanns Weisung zuvor.
    Oben angekommen, ignorierte Jan die Litanei des mageren Männleins, lehnte sich weit vor, um durch den schmalen Mauerspalt zu blicken, und kniff die Augen zu Schlitzen zusammen.
    Täuschte ihn das Schneetreiben, oder kam da tatsächlich ein dunkler Schatten auf das Tor zu?
    Wer, um alles in der Welt, würde sich nachts bei diesem Frost und eisigen Wind über die Ebene wagen, wo doch das Tor verschlossen war und niemand mehr Einlass fand? Die Regel war unumstößlich, zur Sicherheit der Stadt und ihrer Bewohner. Kein Bettler und keine Hure würden bei solcher Kälte nachts vor dem Eingang zur Stadt lagern, statt sich im Wald, in einem verlassenen Gehöft oder sonst wo einen Unterschlupf zu suchen, um nicht zu erfrieren. Und wer Geld besaß, nahm sowieso in einer der Herbergen vor der Stadt für die Nacht Quartier.
    Die Sache kam ihm merkwürdig vor.
    Inzwischen war der Schemen an die Pforte heran und hämmerte dagegen.
    »Das Tor ist verschlossen«, rief Jan hinunter. Der Wind trug seine Worte fort, aber ein paar Fetzen mussten angekommen sein. Die Gestalt hob den Kopf und rief etwas zu ihm hinauf. Für einen Moment ließ das Heulen des Sturms nach und beruhigte sich das wilde Schneetreiben. Nun konnte Jan erkennen, dass dort unten eine Frau stand, ohne Umhang, nur mit einem Schaffell über den Schultern, mit unbedecktem Haar, das zerrissene Kleid krampfhaft über der Brust zusammenhaltend.
    »…önigs Truppen … morgen hier …«, wehte ihre ersterbende Stimme zu ihm herauf.
    Auch Hartmann, der aus dem
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