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0024 - Bestien aus dem Schattenreich

0024 - Bestien aus dem Schattenreich

Titel: 0024 - Bestien aus dem Schattenreich
Autoren: Susanne Wiemer
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»Was war das, Claude?« In der Stimme des Mädchens klang jähe Furcht mit. Der junge Mann, der sich gerade sehr intensiv mit den verschiedenen Knöpfen ihrer Kleidungsstücke befasste, hob irritiert den Kopf.
    »Was denn?«, fragte er etwas außer Atem.
    »Ich weiß nicht. Hast du es nicht gehört? Dieses… dieses merkwürdige Heulen?«
    »Heulen? Unsinn, Denise. Du redest dir was ein, du…«
    Er stockte abrupt.
    Jetzt hatte auch er es gehört. Ein dumpfes, lang gezogenes Heulen, gedämpft, wie aus weiter Ferne, das eigentümlich klagend durch den nächtlichen Wald hallte und sich in das Rauschen der Bäume mischte.
    Es wurde leiser, schwoll dann wieder an, verstummte schließlich.
    Nur noch der schrille Alarmschrei eines Nachtvogels war zu hören und das Brechen und Knacken im Gebüsch, das von flüchtendem Wild verursacht wurde.
    Denise schauderte. »Lass uns gehen, Claude. Mir ist es hier unheimlich.«
    »Aber wir sind doch eben erst gekommen, wir…«
    »Lass uns gehen, Claude! Bitte!«
    Wenn Denise in diesem Ton sprach, war nicht mit ihr zu reden, das wusste er. Ärgerlich presste er die Lippen zusammen, ergriff das Mädchen am Arm und ging rasch mit ihr zurück zum Wagen.
    Einen halben Kilometer entfernt hatte auch der alte George Colu den unheimlichen, klagenden Laut gehört.
    Der alte Mann blieb starr neben einem dicken Baumstamm stehen.
    Er hielt einen leichten Jagdkarabiner unter dem Arm – er war auf Kaninchen aus gewesen. Aber jetzt hatte er den Zweck des nächtlichen Ausflugs vergessen. Seine Augen flackerten. Mit angehaltenem Atem lauschte er in die Dunkelheit.
    Das Heulen schwoll an, wurde wieder schwächer, verstummte. Es wiederholte sich nicht, aber George Colu hatte genug gehört.
    »Nun heulen sie wieder«, flüsterte er vor sich hin. »Jede Nacht heulen sie!« Und nach einer Pause: »Das bedeutet Unglück! Unglück…«
    ***
    »Eine erstklassige Arbeit, Madame! Und für Sie sind Rubine wie geschaffen!«
    Der Verkäufer in dem kleinen Juweliergeschäft an der Rue de Rivoli in Paris bemühte sich nach Kräften, seiner eleganten Kundin das Kollier schmackhaft zu machen, das vor ihr auf dunkelblauem Samt funkelte. Die wasserstoffblonde Dame vertiefte sich in den Anblick des Schmucks. Der Verkäufer studierte ihren Gesichtsausdruck – und erst als die Glocke an der Ladentür bimmelte, hob er den Kopf. Seine Augen weiteten sich.
    Zwei Männer hatten das Juweliergeschäft betreten. Maskierte Männer…
    Der eine war auffallend klein und schmal, der andere hoch gewachsen und von knochiger Hagerkeit, aber auf diese feinen Unterschiede achtete der Verkäufer nicht. Er sah nur die unheimlichen schwarzen Strumpfmasken, die funkelnden Augen hinter den Sehschlitzen – und die Pistolen, die die beiden Kerle blitzschnell aus den Taschen ihrer abgetragenen Trenchcoats gezaubert hatten.
    »Überfall«, knurrte der Knochige. »Einpacken!« Mit diesen Worten knallte er eine alte Einkaufstasche dicht neben der schreckensstarren Kundin auf die Glastheke. Seine Augen funkelten auf, als er das kostbare Rubin-Kollier entdeckte. »Damit kannst du gleich anfangen, und dann weiter im Text. Alles, was da ist! Und komm nicht auf die Idee, die Alarmanlage zu betätigen. Wenn hier Polizei auftaucht, hast du blitzschnell ein Loch an einer Körperstelle, wo keines hingehört, compris?«
    Der Verkäufer wollte lieber ein lebendiger Feigling als ein toter Held sein.
    Er packte ein. Das Kollier, Ringe, Ketten, Diademe – alles, was ihm unter die Finger kam. Und da er unterbezahlt war und von seinem Chef schlecht behandelt wurde, gab er sich nicht die geringste Mühe, an den kostbarsten Stücken vorbeizugreifen.
    Auch an dem Tempo, mit dem er einpackte, gab es für die ungebetenen Besucher nichts auszusetzen. Der Verkäufer schnitt ein Pokerface. Nur ein genauer Beobachter hätte ihm angesehen, dass ihn der Zwischenfall mit stiller Genugtuung erfüllte. Das Einzige, das ihn ärgerte, war die Anwesenheit der superblonden Kundin, denn sonst hätte er die Gelegenheit genutzt, um sich selbst ein paar Steine unter den Nagel zu reißen.
    Der Überfall dauerte genau sechs und eine halbe Minute.
    Mit einem zufriedenen Zischlaut riss der hagere Gangster die Tasche von der Theke und drückte sie seinem kleinen Komplizen in die Hand. Der Verkäufer hatte sich immer noch vorgebeugt – er lauerte auf eine Chance, ungesehen von der Kundin nach einem Brillantring zu greifen, den er zwischen zwei Schatullen hatte fallen lassen. Sekundenlang
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