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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber
Autoren: Sabine Ebert
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verfärbt sein.
    Aber es blieb still im Haus des Apothekers. Also blieb ihr nur, sich wieder unter der Decke zu verkriechen und zu beten, dass sie sich irrte.
    Wenn ihr der Alptraum in dieser Klarheit schon zum dritten Mal erschienen war, konnte das nur eines bedeuten: Es stimmte, was der Oheim ihr Tag für Tag vorhielt.
    Sie stammte tatsächlich aus einem verfluchten Geschlecht. Verflucht, weil sich die Männer durch ihren Mut immer wieder zu viele gefährliche Feinde machten und die Frauen mit der Gabe des zweiten Gesichts gezeichnet waren – was den einen wie den anderen den vorzeitigen Tod einbrachte.
    Doch wenn das stimmte, bedeutete dies auch, dass sich die Schreckensbilder aus ihrem Traum erfüllen würden!
    Jene, die sie gerade noch vor Augen hatte, und auch die anderen: drei Köpfe vor den Toren der Stadt aufgespießt … und der Obere Markt voller Blut, das den frisch gefallenen Schnee rot färbte, umsäumt von Verwundeten und Gefangenen, die fassungslos auf die enthaupteten Leichname ihrer Gefährten starrten …
    Würde tatsächlich noch diesen Winter ein sengendes, mordendes Heer in Freiberg wüten? Vielleicht sogar schon morgen oder übermorgen?
    Je länger Änne zitternd dalag und in die Finsternis starrte, viel zu aufgewühlt und verängstigt, um wieder einschlafen zu können, umso stärker wuchs in ihr die Gewissheit. Noch ehe der Schnee schmolz, würde eine grausame Macht die Stadt erobern und Ströme von Blut vergießen. Blut von Menschen, die sie kannte. Und niemand konnte das Verhängnis abwenden.

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    ERSTER TEIL
    Die belagerte Stadt
    Altenburg, Dezember 1295
    I ch habe ein ganz dummes Gefühl.«
    Das hätte Ritter Ulrich von Maltitz nicht erst aussprechen müssen. Seine misstrauische Miene und die Unruhe, mit der er immer wieder zur Tür blickte, die schief in den Angeln hing und bei jeder Bewegung laut knarrte, sagten genug.
    Er hatte noch nicht einmal den schneebedeckten Umhang abgelegt. Die schmelzenden Flocken ließen sein schulterlanges Haar schwarz wirken.
    »Meint Ihr das Essen, das uns dieser schmierige Wirt bringt, sofern er es je fertigbekommt?«, antwortete der Markgraf von Meißen mit verhaltenem Spott, während er es sich auf einer Bank bequem machte und die langen Beine ausstreckte, die vom anstrengenden Ritt durch die strenge Kälte des Winters steif geworden waren.
    Der König hatte Friedrich von Wettin hierher in die Reichsstadt Altenburg beordert, und wenn es nach ihm ginge, dürfte dieser den Markgrafentitel gar nicht mehr führen. Denn Adolf von Nassau, vor dreieinhalb Jahren zum Regenten gewählter Niemand unter den Reichsfürsten, erhob Anspruch auf die Mark Meißen. Obwohl das Fürstengericht noch nicht die Acht über den Meißner gesprochen hatte, galt Friedrich schon so gut wie geächtet, als Rebell, der sich dem König mit dem Schwert entgegenstellte, um seinen Besitz zu wahren. Oder das, was davon übrig war, nachdem sein verschwenderischer Vater auf leichtsinnige Weise den größten Teil seiner Ländereien verschleudert hatte. Dabei war es keine zehn Jahre her, dass dessen Vater über fünf Fürstentümer herrschte!
    »Ihr wisst genau, was ich meine«, antwortete Ulrich von Maltitz ungestüm und vergaß dabei für einen Augenblick den respektvollen Ton, den er seinem Lehnsherrn schuldete. »Wenn Ihr auf meinen Rat hörtet, wären wir nie hierhergekommen. Das riecht nach einem Hinterhalt, nach Verrat!«
    Der dunkelhaarige Ritter Anfang dreißig legte den Umhang ab und ließ ihn achtlos auf die Bank sinken, ohne die Tür aus den Augen zu lassen. Dann trat er sogar einen Schritt in den Gang hinaus, um hinunter in die Schankstube des Wirtshauses zu spähen, in dem sie Quartier genommen hatten. Rauchschwaden vom Herdfeuer und der Lärm der Zecher drangen in die größte der oberen Kammern, wo ein paar Schankmägde die Tafel für die hohen Gäste aufgestellt hatten. Doch niemand schien sich die altersschwache Holztreppe hinaufzuwagen.
    Krachend ließ Ulrich die Tür wieder hinter sich zufallen und blieb stehen, die Hand am Schwert.
    »Wollt Ihr etwa dem König so viel Unehrenhaftigkeit unterstellen?«, ermahnte ihn der Markgraf mit hochgezogenen Augenbrauen, immer noch eher spöttisch als streng.
    Friedrich war achtunddreißig Jahre alt und weder der dichtende Schöngeist wie sein Großvater, den man »den Erlauchten« nannte, noch der verlebte Verschwender wie sein Vater. Er war nüchtern, zupackend und entschlossen. Und er teilte das Misstrauen des Maltitzers,
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